"Dragon Age: Inquisition" ist für PC, PS4, XBO, PS3 und X360 erschienen.

Screenshot: Dragon Age Inquisition
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Das Lieblingsattribut der Rollenspielfreunde ist "episch": Gewaltige Dimensionen sind damit gemeint, mythisch-weltbewegende Ereignisse, riesige Schlachten, beeindruckende Geschichten und drastische Entscheidungen - wie in den klassischen Heldenliedern der Antike und des Mittelalters, die letztlich seit jeher als Inspiration für Fantasy beinahe jeder Art herhalten. Rollenspiele sind in gewisser Weise Paralleluniversen, in die der Spieler eintaucht, um darin zu versinken. Der herannahende Winter mit seinen langen Nächten ist somit die logische Jahreszeit für ausufernde Ausflüge in Rollenspielwelten. Mit "Dragon Age: Inquisition" lädt nun ein besonders heiß erwarteter Titel zur Realitätsflucht.

Seit 1998 steht der Name Bioware bei Fans von Computerrollenspielen für Qualität: Die "Baldur’s Gate"-Reihe des kanadischen Studios ist Kult, ebenso wie die Science-Fiction-Trilogie "Mass Effect". "Inquisition" ist der dritte Teil der "Dragon Age"-Reihe, die ihre Spieler in ein klassisches High-Fantasy-Setting entführt; der erste Teil, "Origin", bot vor fünf Jahren eine überraschend düstere Einführung, während der 2011 erscheinende Teil zwei Fans und Kritiker enttäuscht zurückließ. Mit dem nun veröffentlichten dritten Teil, "Dragon Age: Inquisition", will man alte, aber vor allem neue Spieler glücklich machen.

Nuancierte Schattierungen

Die Story, die auch Neueinsteigern genug Hilfe bietet, gewinnt dabei kaum Originalitätspreise: Nach einer magischen Katastrophe bedrohen nicht nur Dämonen aus einem Dimensionsriss die Fantasywelt, sondern auch ein Bürgerkrieg zwischen Magiern und Templern. Als Mitglied der wiedergegründeten "Inquisition" stehen Spieler zwischen den Fronten und vor großen Aufgaben. So weit, so generisch, doch Bioware gelingt es nach eher zähem Beginn durchaus, seinen Stoff durch nuancierte Schattierungen der Figuren und Handlung spannend zu gestalten. Auch wenn die beeindruckend tragische Düsterheit des ersten Teils Geschichte ist, verweist auch "Dragon Age: Inquisition" in seinem Fokus auf Politik und vielschichtige Charaktere eindeutig auf "realistische" moderne Fantasy der Marke "Game of Thrones".

Die spielerische Grundrezeptur hat sich nur unwesentlich verändert: Wie gewohnt steuern Spieler den eigenen, selbst gestalteten Helden sowie drei weitere Charaktere, die sich aus einer bunten Schar origineller Figuren rekrutieren. Die Kämpfe laufen in jederzeit pausierbarer Echtzeit ab, und zumindest die härteren Gegner, wie etwa die beeindruckenden Drachen, sind nur mit sorgfältiger Kooperation zu bezwingen. Wie im Genre üblich können Heldenfähigkeiten in unterschiedlichste Richtungen entwickelt, Gegenstände selbst hergestellt und eine beeindruckende Anzahl von Truhen und Kisten auf Beute untersucht werden. Bioware-typisch haben Spieler in Konversationen die Wahl zwischen unterschiedlichen Antworten und Herangehensweisen.

Spielplätze im X-Large-Format

Was "Inquisition" aber von seinen Vorgängern und Teilen der Konkurrenz abhebt, ist tatsächlich seine wahrhaft epische Größe: Die riesige offene Spielwelt, die sich nach und nach bereisen lässt, ist nicht nur Schauplatz der etwa 30 Stunden umfassenden Haupthandlung, sondern erschlägt ihre Spieler förmlich mit einem Beschäftigungsangebot, das weitaus länger zum Bleiben animiert. Dabei reicht die Palette von ganzen Nebenhandlungssträngen über Schnitzeljagden bis hin zu obskuren Minispielen - hier geht Bioware einen Schritt hin zur Konkurrenz, die von "Skyrim" über Action-Titel wie "Assassin’s Creed" bis hin zur Welt der MMOs mit ebensolchen Spielplätzen im X-Large-Format ihre Besucher oft durch schieres Überangebot beeindruckt. Die Welt von "Inquisition" ist förmlich dafür gemacht, die Spieler zu verschlucken und sie erst bei Frühlingsbeginn wieder loszulassen.

Doch diese neue Größe ist - vielleicht unvermeidlich - durch einen gewissen Mangel an Tiefe erkauft. Dies zeigt sich etwa sowohl im nochmals vereinfachten Kampfsystem als auch bei Figuren, die weniger mitreißen und berühren als von Bioware gewohnt, und in Entscheidungen, die Spieler nur selten vor wirkliche Dilemmas stellen. In unzähligen Systemen wird ein kleinteiliges Angebot an Mikromanagement ausgebreitet, das in seiner teils sperrigen Handhabung sowohl die steuerungsgeplagte PC-Gemeinde als auch die Hauptzielgruppe auf Konsolen verwirrt. Dass zudem inhaltlich die harte, dreckige Fantasy-Vision des nach wie vor überragenden Erstlings "Origins" hier letztlich domestiziert und verharmlost wirkt, wird Fans mehr stören als Neueinsteiger - dennoch ist es schade, dass sich "Dragon Age" hier selbst einer Besonderheit beraubt.

Rollenspiel für alle

"Dragon Age: Inquisition" ist letztlich ein "modernes" Rollenspiel, mit all den Vor- und Nachteilen, die das mit sich bringt. Rollenspielpuristen mögen (nicht zu Unrecht) eine Verflachung ihres Genres beklagen, doch zum Glück kümmert sich mit Titeln wie "Wasteland" oder "Divinity: Original Sin" längst die Indie-Abteilung um die Vorlieben der Hardcore-Crowd. Denn dass das ehemals sperrige Genre der Rollenspiele eine stetig wachsende Zahl von Spielern begeistern kann, ist nicht zuletzt den Zugeständnissen an den Mainstream zuzuschreiben, wie sie auch Bioware hier nachvollzieht: Optisch und vom Sound begeisternd, in Handlung und Figurenzeichnung souverän sowie in seinem Gameplay solide, bringt "Inquisition" vor allem seine eigene, üppige Vision des Open-World-Genres als überzeugendes Argument für durchwachte Nächte.

Vielleicht ist das nicht jenes "Dragon Age", das sich die Fans der Vorgänger ersehnt haben, ein sehr gutes Spiel mit beachtlichem Suchtfaktor ist Biowares dritter Eintrag in die Serie aber auf jeden Fall. Bei aller Kritik: "Dragon Age: Inquisition" ist tatsächlich ein episches Rollenspiel geworden - und der Fantasy-Winterurlaub des Jahres. (Rainer Sigl, derStandard.at, 24.11.2014)

"Dragon Age: Inquisition" ist für PC, PS4, XBO, PS3 und X360 erschienen
Alterseinstufung: ab 18 Jahren
UVP: ab 59 Euro