Seit mehr als zehn Jahren liegt das iranische Atomdossier auf dem Tisch: Schon 2003, als der Iran noch mit den Vorarbeiten zu seinem Anreicherungsprogramm befasst war - das heißt, noch gar kein Uran anreicherte -, versuchten die westlichen Verhandler (damals Großbritannien, Frankreich und Deutschland: die E-3), Irans nukleare Aktivitäten zu stoppen. 2002 hatte eine Oppositionsgruppe die Existenz von neuen Nuklearanlagen aufgedeckt, die vom Iran nicht der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) gemeldet worden waren.

Die Anfänge dafür wurden schon früher gelegt: 1987 hatte der Iran vom Netzwerk des pakistanischen Atomphysikers A. Q. Khan die ersten Pläne für Zentrifugen erworben. 1987 war übrigens auch das Jahr, in dem der Irak - der seit 1981 ein geheimes und ziemlich erfolgloses Anreicherungsprogramm aufbaute - mit der Arbeit an Waffenaspekten begann.

Ab 2003 schritt der Iran mit seinem Programm langsam, aber stetig voran - und der Westen versuchte es zu stoppen. Im Herbst 2004 erklärte sich Teheran zum "Einfrieren" seiner Aktivitäten bereit und trat in Verhandlungen mit den E-3. Teherans Forderungen waren, gemessen an dem, worum es heute geht, sehr bescheiden, aber das Ziel des Westens war "Null-Anreicherung". 2005 folgte Mahmud Ahmadi-Nejad auf Präsident Mohammed Khatami, der 2003 einen "Grand Bargain" mit den USA gesucht hatte. Er hätte auch das Atomprogramm betroffen, aber US-Präsident George W. Bush war nicht interessiert.

Erstmalige Anreicherung

Die Verhandlungen scheiterten, der Gouverneursrat der IAEA verwies den Fall an den Uno-Sicherheitsrat. Das war im Februar 2006 - im April reicherte der Iran zum ersten Mal Uran auf 3,5 Prozent an. Es folgte Ende Juli 2006 die erste der Sicherheitsratsresolutionen, die den Anreicherungsstopp verlangten und später Sanktionen verhängten. Sie wurden durch bilaterale Sanktionen von USA, EU und anderen Ländern ergänzt.

Diese Resolutionen gelten noch immer, aber bereits seit Herbst 2009 setzte sich bei den Verhandlern die Einsicht durch, dass der Iran nicht auf alles verzichten würde. Die Verhandler: Das waren mittlerweile die alten E-3 mit der EU, plus USA, Russland und China; aber sie werden meist P5+1 (die fünf Uno-Vetomächte plus Deutschland) genannt.

So wurde 2009 der Vorschlag eines "Brennstoff-Deals" erarbeitet: Der Iran sollte den Großteil seines bereits produzierten niedrig angereicherten Urans außer Landes schaffen lassen, wo es weiter angereichert und in Nuklearbrennstoff umgewandelt werden sollte. Der Iran brauchte ihn für seinen kleinen Forschungsreaktor in Teheran (TRR), in dem Isotopen produziert werden.

Das war bereits eine Abkehr von der "Null-Anreicherung"-Forderung des Westens. Aber der Deal scheiterte: Entgegen landläufiger Meinung wollte ihn Ahmadi-Nejad; er konnte ihn jedoch innenpolitisch nicht durchbringen. Der Iran begann in der Folge selbst auf 19,75 Prozent - bei 20 liegt die Schwelle zum hoch angereicherten Uran - anzureichern und später auch Brennstoff für den TRR zu erzeugen.

Militärische Aspekte

Inzwischen waren auch Hinweise darauf aufgetaucht, dass der Iran in der Vergangenheit an Waffenaspekten geforscht hatte. Die IAEA geht ihnen nach, und der Iran bleibt bis heute versprochene Antworten zum Großteil schuldig. Aber die Anschuldigungen werden sowohl vom Iran bestritten als auch von einem Teil der Nuklear-Community angezweifelt. Andere sind wiederum überzeugt, dass der Iran nie aufgehört hat, an Waffenaspekten zu arbeiten. Ein weiteres Sorgenkind ist der - noch nicht hochgefahrene - Schwerwasserreaktor in Arak, ein potenzieller Plutoniumproduzent.

Jahrelang gab es stets erfolglose Verhandlungsrunden, mit diversen Angeboten und Gegenofferten. Für die jetzige Runde schien der Auslöser die Wahl von Hassan Rohani - Khatamis Atomverhandler, der 2005 dem Einfrieren zugestimmt hatte - im Juni 2013 zum iranischen Präsidenten zu sein. Erst später stellte sich heraus, dass im Oman schon vor der Wahl US-iranische Geheimgespräche stattgefunden hatten. Die Lösung des Atomstreits war Teil von Rohanis Wahlkampagne: Die iranische Wirtschaft litt bereits massiv unter den Sanktionen.

Im September 2013 legte der neue Außenminister Mohammed Javad Zarif - er war es, der 2003 für Khatami den "Grand Bargain" sondierte - den P5+1 einen Vorschlag vor, den US-Außenminister John Kerry als "ganz anders" als frühere beschrieb. Im November 2013 einigte man sich in Genf auf einen "Joint Plan of Action", der die Verpflichtungen beider Seiten festlegte: Einschränkung des Atomprogramms auf der einen, Sanktionserleichterung auf der anderen. Die auf sechs Monate anberaumte Verhandlungszeit begann am 20. Jänner 2014 zu laufen, im Juli wurde jedoch bis zum 24. November verlängert. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 25.11.2014)