Claude Monets "Waterloo Bridge" aus dem Jahr 1903 gilt als Highlight aus dem Salzburg-Konvolut.

Foto: private Sammlung Cornelius Gurlitt, Salzburg, "Süddeutsche Zeitung"

Bern/Wien - Auch wenn der Beschluss erst am Wochenende in einer langen Sitzung des Stiftungsrates gefallen sein soll, in den letzten Tagen gab es kaum noch Zweifel: Das Kunstmuseum tritt das Erbe des im Mai 2014 verstorbenen Cornelius Gurlitt an, verkündete Christoph Schäublin bei der Pressekonferenz in Berlin nun offiziell. Eine Entscheidung, die, wie der Stiftungsratspräsident betonte, angesichts "der Geschichte, die auf der Sammlung lastet", nicht leicht gefallen sei.

Details der Vereinbarung, die vom Museum, dem bayerischen Justizminister Wilfried Bausback und der deutschen Kulturstaatsministerin Monika Grütters unterzeichnet wurde, belegen indes, welche Bedeutung Deutschland der Causa und den etwa 1700 Kunstwerken beimisst. Überspitzt formuliert dürfte einem potenziellen Nachlassempfänger das Erben selten so bequem gemacht worden sein, gemessen an den Leistungen, welche die Bundesrepublik zusichert. Wie der Standard am 22. 11. berichtete, gehört dazu etwa die Übernahme aller Rechtskosten, sollte das Berner Museum auf Herausgabe von Werken verklagt werden. Dies dürfte auch das Risiko abdecken, das sich aus der Anfechtung des Testaments seitens Gurlitts 86-jähriger Cousine Uta Werner ergeben könnte.

Weiters verpflichtet sich Deutschland, die Kosten für Restitution zu übernehmen. Die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes orientiert sich dabei an der deutschen Auslegung der Washingtoner Prinzipien (1998). Dies ist insofern von Relevanz, als die Schweiz diese anders interpretiert: Die von Verfolgten in der Not veräußerten Kunstwerke gelten dort als Flucht-, nicht als Raubkunst, und nicht alle Museen leiteten daraus bisher Ansprüche auf Restitution ab.

Temporäre Ausfuhr

Abgemacht ist auch, dass die Taskforce die Provenienzforschung weiterführen wird. Neben dem bereits in der Datenbank "Lost Art" gelisteten Bestand aus dem "Schwabinger Kunstfund" (rd. 500 Kunstwerke), werden nun auch etwaige Problemfälle jenes Konvoluts bearbeitet, das sich in Gurlitts Salzburger Häuschen fand. Gemäß Standard-Recherchen hat das Bundesdenkmalamt basierend auf einem entsprechenden Antrag bereits vergangene Woche eine "temporäre Ausfuhr" bewilligt. Für wie viele Werke will Präsidentin Barbara Neubauer auf Anfrage nicht spezifizieren und verweist auf den zuständigen Rechtsanwalt. Für den gesamten Kunstbestand, bestätigt Bernhard Hainz im Gespräch.

Hätte dieser nicht in Österreich erforscht werden können, zumal man auf diesem Gebiet mehr Erfahrung vorweisen kann? Selbstverständlich, bestätigt Eva Blimlinger, wissenschaftliche Koordinatorin der Kommission für Provenienzforschung und stellvertretende Vorsitzende des Kunstrückgabebeirates. "Länderübergreifende Zusammenarbeit hätte Sinn gemacht, wurde jedoch nie erfragt", erklärt sie. Benötigt man zur Rekonstruktion der Herkunftsgeschichte tatsächlich das originale Kunstwerk? Oder fände man mit Fotos (Vorder-/Rückseite) das Auslangen? Warum werden diese Werke nicht von österreichischen Provenienzforschern unter die Lupe genommen, etwa von Sophie Lillie, die in der Taskforce die Jewish Claim Conference vertritt?

Einerlei. Ein Teil der Werke ist bereits auf dem Weg nach Deutschland. Darunter wohl auch Monets Waterloo-Bridge, das Highlight des mit 39 Ölgemälden etwa von Renoir, Manet und Picasso bestückten "Salzburger Fundes". Laut Gurlitts Anwälten übersteige deren Wert jenen aus München um ein Vielfaches. So gesehen könnte die Österreich-Entourage für Bern sogar das Zünglein an der Waage gewesen sein. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 25.11.2014)