Finanzstadträtin und Vizebürgermeisterin Renate Brauner (SP) verteidigt Wiens Investitionen.

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Wien – Die seit 2008 andauernde Wirtschaftskrise ist "im Geldbörsl der Österreicher angekommen". Das konstatierte Wiens Finanzstadträtin Renate Brauner (SP) am Montag bei ihrer Budgetrede im Rathaus. Gegensteuern müsse man gerade in der Krise mit Investitionen in die wachsende Stadt Wien. "Wir bauen und erweitern nicht aus Jux und Tollerei."

Die Neuverschuldung in Wien wird 2015 laut Voranschlag wie berichtet 221 Millionen Euro betragen. Somit wird Wien Mitte des kommenden Jahres erstmals die Grenze von fünf Milliarden Euro Schulden durchbrechen. Ihre Rede zum Auftakt der zweitägigen Budgetdebatte nützte Brauner zur Verteidigung der Schuldenpolitik. So rechnete sie vor, dass die Wirtschaft auch 2015 kaum wachsen werde. "Das hat massive Auswirkungen auf unser Budget."

Stabilitätspakt light

Erneut sprach sich Brauner dafür aus, nachhaltige Investitionen etwa in Forschung oder Bildung aus dem Stabilitätspakt herauszunehmen. Laut diesem ist ab 2016 keine Neuverschuldung mehr erlaubt. Wird dieser auf EU-Ebene Realität, gebe es einen "Plan B", hatte Brauner davor schon gesagt. Dieser sieht öffentliche Bauprojekte mit privaten Partnern vor – sogenannte Public-Private-Partnership-(PPP-)Modelle. In Richtung der FP, die erneut den Rücktritt Brauners forderte, sagte die Vizebürgermeisterin: "Wir handeln, Sie hetzen."

Der grüne Klubobmann David Ellensohn erinnerte daran, dass Wien in den Jahren vor 2008 Schulden abgebaut habe – auf 1,5 Milliarden Euro. Mit Ausbruch der Krise wurden wieder Schulden gemacht. "Es funktioniert eben nicht, dass man investiert und die Schulden gleichzeitig sinken."

Opposition höhnt

Die Oppositionsparteien höhnten hingegen. Für VP-Landesparteichef Manfred Juraczka ist "eine Verdreifachung der Gesamtschulden innerhalb von fünf Jahren nicht läppisch". Wien müsse wie ein Unternehmen geführt werden. Das Budget sei "frei von Visionen".

Laut FP-Klubobmann Johann Gudenus beträgt der Schuldenstand rund zehn Milliarden Euro, wenn man die ausgelagerten städtischen Betriebe dazuzählen würde.
Kritik an der fehlenden Transparenz äußerten auch die nicht im Rathaus sitzenden Neos. "Wiener Wohnen" oder die Wiener Stadtwerke würden von Brauner nicht aufgelistet. "Diese insgesamt über fünf Milliarden Euro zusätzlichen Schulden fließen nicht in die Verschuldungsstatistik ein", sagt Landessprecherin Beate Meinl-Reisinger. In Wahrheit betreffe die Pro-Kopf-Verschuldung Wiens das Doppelte, "nämlich 5850 Euro pro Einwohner".

Internes Mail

Der Schuldenstand der Stadtwerke ist etwa in den letzten Jahren gestiegen. Im Konzernabschlussbericht von 2013 wird er mit 1,4 Milliarden Euro festgeschrieben. Auch aus einem internen Mail, das an Mitarbeiter der Stadtwerke verschickt wurde und das dem Standard vorliegt, geht hervor, dass sich der Konzern mit "schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen konfrontiert" sieht. Man wolle mit "Effizienzsteigerungsprogrammen" gegensteuern; Arbeitsprozesse sollen produktiver gestaltet und Einsparungen erzielt werden. Wie die Maßnahmen aussehen werden, wollte man auf Nachfrage nicht näher erläutern.

Noch mehr Schulden als die Stadtwerke hat laut Neos mit 2,8 Milliarden Euro "Wiener Wohnen". Der Schuldenstand der Wien Holding soll 2013 422 Millionen Euro betragen haben, jener des Krankenanstaltenverbunds 366 Millionen Euro. (Rosa Winkler-Hermaden, David Krutzler, DER STANDARD, 25.11.2014)