Sotschi - Mit Champagner und belegten Broten aus der norwegischen Heimat (Lachs!) ließ es sich Magnus Carlsen gutgehen. Zwei Stunden lang stieß der 23-Jährige in Sotschi mit seinem Team und einigen Journalisten auf den WM-Triumph an, für einen Schachspieler ausschweifend lang. Nach dem letzten Schluck beziehungsweise Bissen dachte der neue und alte Champion bereist an kommende Aufgaben. "Zwei geschafft, noch fünf vor mir", schrieb er auf Facebook und bezog sich damit auf seinen Mentor und früheren Trainer Garri Kasparow. Die russische Schachikone hatte den Titel ab 1985 siebenmal gewonnen. Carlsen ist erstmals aufgefallen, als er mit 13 Jahren dem Russen ein Remis abtrotzte.

Die Antwort Kasparows ließ nicht lange auf sich warten. "Ich wünsche ihm das Allerbeste", teilte der heute 51-Jährige mit und lobte seinen Exschützling: "Es war mehr oder weniger zu erwarten. Carlsen ist stärker und stabiler." Gegner Viswanathan Anand habe Schwächen gezeigt.

Das war auch in der vorentscheidenden und spektakulären sechsten Partie des Duells in der russischen Olympiastadt so gewesen. Mit dem 26. Zug machte Carlsen einen fatalen Fehler, der ihn die Partie hätte kosten müssen. Doch sein 21 Jahre älterer Herausforderer sah den verheerenden Patzer zu spät und verlor. Anstatt in Führung zu gehen, war der Inder gescheitert.

2015 soll ein neuer Shootingstar Carlsen fordern. Gemeint ist der 22-jährige Fabiano Caruana. Der Italiener ist heuer in der Weltrangliste auf Rang zwei gestürmt.

Für Kasparow, der die leeren Zuschauerränge in Sotschi als "Schande" empfand, dürfte der Sieger dann wieder Carlsen heißen. Der Russe verfolgt die Duelle der WM-Aspiranten mit großem Interesse und begleitet sie mit manchem Scherz. Als Anand gegen Carlsen mit der sogenannten "Berliner Verteidigung" verlor, frotzelte er: "Eine Berliner Mauer zu errichten ist nur etwas für Russen." Vor 14 Jahren hatte ihm Landsmann Wladimir Kramnik mit einer solchen Variante in London den WM-Titel abgenommen. (red, sid; DER STANDARD, 24.11.2014)