Gefühle richtig zu erkennen, scheint sich auszuzahlen. Laut der Studie "It pays to have an eye for emortions", an der auch Mitglieder des Instituts für Psychologie der Universität Bonn mitgearbeitet haben, wirkt sich die menschliche "Emotions-Erkennungsfähigkeit" unmittelbar auf das Erwerbseinkommen aus. Erschienen sind die Ergebnisse im Fachblatt "Journal of Organizational Behavior".

Einmal mehr scheint damit bewiesen, dass neben Faktenwissen und unter anderem der Fähigkeit rasche Entscheidungen treffen zu können auch die Interpretation der Gefühlslage der Mitarbeiter im Arbeitsalltag, bzw. seiner erfolgreichen Bewältigung wichtig ist. "Dass es zum täglichen Miteinander gehört, die Stimmung des Anderen einzuschätzen, bedeutet aber nicht, dass es jeder gleich gut kann", so Gerhard Blickle vom Psychologischen Institut der Uni Bonn. Das verhalte sich ähnlich wie bei Fremdsprachen und Sport – sinngemäß bedarf es dafür ein gewisses Talent, um darin zu Höchstleistungen zu kommen, so der Forscher weiter.

Kompetenter und leitstungsfähiger

Um vergleichen und messen zu können, wie gut jemand im Lesen von Emotionen seiner Mitmenschen ist, sammelten die Forscher Bilder und Tondokumente von Kindern und Schauspielern, die ihre Gefühle deutlich auszudrücken gelernt und/oder keine Lust haben, ihre Gefühle – wie viele im Erwachsenenleben – zu verbergen. Diese Emotionen wurden den Untersuchungsteilnehmern vorgelegt.

Für die Bonner Untersuchung beurteilten Arbeitnehmer zwischen 20 und 65 Jahren jeweils 24 Gesichtsbilder und 24 Stimmaufnahmen, die es einander zuzuordnen galt. Durchschnittlich ist das 77 Prozent der Teilnehmer gelungen, heißt es. Blickle: "Wenn einer es in 87 Prozent der Fälle schafft, dann ist er gut; bei 90 richtig gut; bei 60 nicht mehr so sehr."

Anschließend wurden die Kollegen und Vorgesetzten der Testpersonen nach deren sozialen Kompetenzen befragt, nach der Zusammenarbeit am Arbeitsplatz. Blickle: "Menschen mit guter Emortions-Erkennungsfähigkeit werden von den Kollegen nachweislich als sozial kompetenter beurteilt. Ihre Vorgesetzten schreiben ihnen eine höhere Leistung in der Zusammenarbeit mit anderen zu. Und nachweislich ist auch ihr Erwerbseinkommen höher."

Unterschätzter Faktor beim Recruiting

Unter anderem folgern die Forscher daraus, dass bei der Auswahl von Führungskräften mehr Wert auf die Fähigkeit zur Emotions-Erkennung gelegt werden sollte – vor allem, wenn der Beruf auf den Umgang mit Menschen ankommt, heißt es. Und Blickle weiter: "Denn wie oft hört man Führungskräfte von Verständnis und Wertschätzung sprechen und wenn man ihr Führungsverhalten sieht, stellt man fest, dass sie beides nicht haben."

Studien darüber, ob sich diese Fähigkeit erlernen, möglicherweise verbessern ließe, gibt es laut Blickle keine. Zwar gebe es diverse Verfahren, mit denen sich die "Emotionale Intelligenz" erhöhen lasse, jedoch konzentrieren diese sich alle darauf, die Emotionen des Gegenübers für sich selbst einzuordnen und anschließend passend zu handeln, so der Forscher. Dass man dafür die Gefühle anderer Menschen erst erkennen muss, werde bei diesen Trainings stillschweigend vorausgesetzt. (Heidi Aichinger, derStandard.at, 25.11.2014)