Wien - Österreichs international gesehen gute Versorgung von Krebspatienten ist überspitzt gesagt "das Ergebnis eines Evolutionsprozesses oder von Zufällen, aber nicht Ergebnis eines gesteuerten Prozesses". So sieht es Richard Greil von der Uniklinik für Innere Medizin am LKH Salzburg. Man darf Greil auf dem Gebiet einen gewissen Überblick zutrauen, sitzt er doch in einem vom Gesundheitsministerium beauftragten Beirat, der vier Jahre lang ein Krebsrahmenprogramm für Österreich entwickelte. Oder, wie Greil es auch formuliert, eine Strategie, um Österreichs Position im Spitzenfeld abzusichern.

Montagabend präsentierten fünf Beiratsmitglieder - zwei Mediziner, eine Statistikerin, eine Vertreterin einer Selbsthilfegruppe und eine des Gesundheitsministeriums - die Grundzüge dieses Rahmenprogramms der Presse. Es soll 2015 in die Überarbeitung des Strukturplans Gesundheit einfließen. Welche Punkte besondere Priorität haben, will der Beirat bis zum Frühling festlegen.

  • Bereits klar ist, dass Österreich bei der Krebsstatistik großen Nachholbedarf hat. Man weiß dank Krebsregisters zwar einiges: dass jährlich zirka 38.000 Menschen in Österreich an Krebs erkranken. Dass die Zahl der Erkrankungen zunimmt, während die Sterblichkeitsrate sinkt. Man weiß auch darüber Bescheid, wo Tumore am häufigsten vorkommen. Bei Männern bei der Prostata (25 Prozent), bei Frauen in der Brust (30 Prozent). Aber: "Spezifische Faktoren sind im Krebsregister nicht erfasst", sagt Monika Hackl von der Statistik Austria. Das heißt: Charakteristika eines Tumors werden nicht standardmäßig registriert. Wie bestimmte Ausprägungen auf welche Behandlungen ansprechen, bleibt offen. Man weiß es maximal von klinischen Studien. Ob deren Ergebnisse auf die breite Bevölkerung übertragbar sind, bleibe aber auch unklar. Das Statistikgesetz (von 1969) müsse erneuert, die Dokumentation in den Krankenhäusern vereinheitlicht und die Krebsbehandlungen im niedergelassenen Bereich auch erfasst werden, sagt Hackl.
  • Der Beirat formulierte auch eine Reihe von Präventionszielen, darunter zum Beispiel besserer Nichtraucherschutz: Dafür haben mehr als 10.000 Menschen binnen acht Wochen eine Petition ("Don't smoke") unterzeichnet.
  • In Sachen Diagnose, Behandlung und Forschung fordert der Beirat, dass allen Menschen der gleiche Zugang zu innovativen Behandlungen gegeben sein soll. "Klinische Studien fungieren da als eine Art sozialer Gleichmacher", sagte Greil. Eine hochqualifizierte onkologische Versorgung für alle Patienten müsse das Ziel sein.
  • Das Angebot für psychoonkologische Betreuung und die Palliativversorgung sei auszubauen. Letzteres ist das Ziel der parlamentarischen Enquetekommission mit dem Titel "Sterben in Würde", die am Dienstag erneut tagte. Im Dezember will man die Finanzierung eines Hospiz-Stufenplans besprechen.
  • Besondere Rücksichtnahme fordert der Beirat auf Kinder und ältere Menschen als Krebspatienten. Für letztere Gruppe gebe es auch kaum klinische Studien, da die Pharmaindustrie daran kein Interesse habe, sagte Greil. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 26.11.2014)