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Auch Kometensonde Rosetta wird von Hydrazin angetrieben. Künftige Missionen könnten eine umweltfreundlichere Alternative wählen.

Illu.: APA/ EPA/ESA

Wiener Neustadt - Umwelt- und ressourcenschonender Einsatz von Technik wird auch in der Raumfahrt verstärkt zu einem Thema. In der EU werden Möglichkeiten untersucht, wie gefährliche chemische Substanzen ersetzt werden könnten. Einer der besonders giftigen Stoffe ist Hydrazin, das in vielen Bereichen der Industrie verwendet wird.

Für die Raumfahrt ist die Substanz das "Lebensblut", erklärt Carsten Scharlemann, Leiter des Aerospace Engineering Departments der Fachhochschule Wiener Neustadt für Wirtschaft und Technik. Ein Großteil der Satelliten und Raumsonden inklusive der Kometensonde Rosetta verbrennt Hydrazin. Während der oft mehr als 15 Jahre währenden Lebensdauer wird es als Treibstoff für Antrieb und Kurskorrekturen eingesetzt.

Ein europaweites Konsortium, dem neben der FH Wiener Neustadt und dessen Forschungsunternehmen Fotec unter anderem auch der Luftfahrtriese Airbus, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und der Wiener Anbieter für Hochleistungskeramik Lithoz angehören, möchte die Entwicklung von Antrieben für alternative Treibstoffe voranbringen. Finanziert wird das Projekt im Rahmen des europäischen Forschungsprogramms Horizon 2020.

Aussichtsreichster Kandidat für einen neuen, grüneren Treibstoff ist sogenanntes Ammoniumdinitramid (ADN), das bereits im Zuge der schwedischen Raumfahrtmission Prisma erfolgreich getestet wurde, erklärt Scharlemann. Der Ansatz soll nun zu einer kommerziellen Anwendung weiterentwickelt werden.

Die seit Jahrzehnten in der Raumfahrt eingesetzte Stickstoffverbindung Hydrazin hat nicht nur den Vorteil einer sehr hohen Leistungsfähigkeit. Die Energie kann durch ein Einstofftriebwerk auch relativ einfach abgerufen werden. Der Treibstoff wird dabei bei Raumtemperatur durch einen Katalysator geführt. Dort erhitzt er sich und wird gasförmig. Der entstehende Druck wird durch eine Düse entspannt, wodurch der Schub entsteht.

Der Nachteil: Hydrazin ist so hochgiftig und krebserregend, dass die Techniker einen Satelliten etwa nur mit aufwändigen Schutzanzügen "betanken" können. Die umfassenden Sicherheitsmaßnahmen, die Hydrazin erfordert, machen die Missionen auch teurer.

Ungiftiger Treibstoff

Ein Treibstoff auf Basis von ADN würde die Vorteile von Hydrazin teilen, nicht aber die Nachteile. Gemeinsam mit konventionellem Treibstoff und Wasser entsteht ein Gemisch, das ebenfalls in einem Einstofftriebwerk verwendet werden kann und das die Leistungsfähigkeit von Hydrazin sogar noch um einige Prozent übertrifft. Die Stickstoffverbindung, die von schwedischen und russischen Wissenschaftern entdeckt wurde, ist dabei weder giftig noch krebserregend.

Für Scharlemann und seine Kollegen geht es jetzt darum, ein entsprechendes Triebwerk für ADN-basierte Treibstoffe zu optimieren. "Die Frage ist, wie man die chemische Reaktion am besten zum Laufen bekommt", erklärt er.

Innerhalb von Millisekunden steigt der Druck in der Brennkammer um das 20-Fache. Die Temperatur schnellt auf bis zu 2000 Grad. "Die mechanische und thermische Belastung, der die Konstruktion widerstehen muss, ist enorm", sagt der Wissenschafter.

Bei der thermodynamischen Berechnung der Lasten sollen sich auch die FH-Studierenden im Zuge ihrer Ausbildung einbringen. Der Katalysator selbst, der die blitzschnelle chemische Reaktion auslöst, besteht aus einer keramischen Substanz, die mit einem Metall wie etwa Platin versetzt ist. Er veranlasst das Gemisch, Sauerstoff freizusetzen, um den Verbrennungsvorgang zu starten. Die Rückstände, die nach der Reaktion übrig bleiben, sind wie auch bei Hydrazin harmlos.

Scharlemanns Gruppe kümmert sich gemeinsam mit Fotec um Konstruktion und Tests der Katalysatoren, die keramischen und chemischen Anteile kommen von Konsortialpartnern. Airbus und DLR übernehmen die Forschungen dann für ihre Entwicklung eines neuartigen Antriebssystems. Die Entwicklungszeiten in der Raumfahrt sind selten kurz: In fünf bis zehn Jahren könnte der Antrieb eingesetzt werden, schätzt Scharlemann. (pum, DER STANDARD, 26.11.2014)