Man gewöhnt sich schnell an das Leben in einer Fototapete. Das Meer ist unfassbar türkis, direkt vor der privaten Luxusvilla warten Sonnenschirm und Liegen, und der Strand wirkt ohnehin, als ob jedes Sandkorn handverlesen wäre. Allein die volle Schüssel mit frischen Passionsfrüchten am Frühstücksbuffet - natürlich ebenfalls mit Blick aufs Meer - lässt die lange Anreise sofort vergessen. Die Urlauber kippen sekundenschnell in den Entspannmodus.

Unfassbar türkis: Der Strand wirkt, als ob jedes Sandkorn handverlesen wäre.
Foto: Lux Island Resort

Schließlich sind die Malediven, eine Inselgruppe im Südwesten von Indien, eine Paradies-Simulation auf höchstem Niveau. Kein Wunder, dass der Archipel als Honeymoon-Destination hoch im Kurs steht. Die Malediven gelten mehr denn je als Luxusreiseziel, die Fünf- und Sechs-Stern-Resort-Dichte wird von Jahr zu Jahr höher, schließlich sind die einsamen Inseln, auf denen die Hotels errichtet wurden, perfekte Rückzugsorte.

Eine Paradies-Simulation auf höchstem Niveau
Foto: Lux Island Resort

Von dieser exponierten Lage profitiert auch Lux Maldives, ein erstklassiges, aber nicht überkandideltes Resort, das mit dem Wasserflugzeug in nur fünfundzwanzig Minuten vom internationalen Flughafen Malé erreichbar ist. Das Hotel liegt auf einer rund 1,8 Kilometer langen Insel mit dem Zungenbrechernamen Dhidhoofinolhu. Ringsum im Atoll sieht man Mantarochen und kleine Riffhaie, es werden Exkursionen angeboten, um mit Walhaien, den sanften Riesen der Meere, zu schnorcheln. Auch Kurse mit dem Flyboard, einem Wassersportgerät, das durch den Rückstoß eines Jetskis angetrieben wird, sind möglich, um ein wenig James-Bond-Feeling aufkommen zu lassen.

Aus der Abschirmung

Für die Malediven ungewöhnlicher ist das Angebot, die bewohnte Nachbarinsel zu besuchen: eine gute Gelegenheit, in Ansätzen ein Land kennenzulernen, das für Ausländer außerhalb der abgeschirmten Resorts schwer zu bereisen ist. Auf den meisten Inseln - es sind 1196, davon werden 220 von Einheimischen bewohnt und 87 für touristische Zwecke genutzt - haben Touristen nur im Rahmen geführter Touren Zutritt oder müssen eine staatliche Erlaubnis beantragen.

Das Land ist für Ausländer außerhalb der abgeschirmten Resorts schwer zu bereisen.
Foto: Lux Island Resort

Luxustourismus und der beschwerliche Alltag in diesem armen Land, das oft wegen Menschenrechtsverletzungen Schlagzeilen macht, berühren sich tatsächlich eher selten. Die rund 400.000 Einwohner sind fast alle sunnitische Muslime. Religion bestimmt den Alltag, und das muslimische Glaubensbekenntnis ist Bedingung für die maledivische Staatsbürgerschaft. Im Jahr 2008 wurden dadurch mehr als 700 Christen auf den Inseln zu Staatenlosen.

Eine ruhige Insel

Langsam tuckert das bunte Dhoni, wie die traditionellen Holzboote der Malediven genannt werden, auf die kleine Nachbarinsel zu. Am Schiffsanlegeplatz brettern ein paar Jugendliche mit ihren Motorrädern entlang, sonst wirkt die Insel ruhig. Das Ortsschild ist schon ziemlich ramponiert. "Welcome - igurah", steht da, einige Buchstaben sind abgefallen, eigentlich heißt die Insel Dhigurah.

Ein Ausflug zur Nachbarinsel zahlt sich aus, um Einblick in den Alltag der Inselbewohner zu bekommen.
Foto: Karin Cerny

Es ist kurz nach 17 Uhr, eine gewisse Trägheit liegt in der Luft. Die Sonne steht noch immer hoch am Himmel, die meisten Bewohner haben sich in ihre bunten Häuser zurückgezogen. Nur in der kleinen Schule ist zumindest der Sportplatz belebt. Die Buben spielen Volleyball, die Mädchen entspannt Badminton mit Kopftüchern. Die kleine Touristengruppe wird sofort eingeladen, mitzumachen. Bei über 30 Grad müssen die Gäste leider passen.

Auf Dhigurah gehen die Uhren langsam. Die Shops auf der sandigen Hauptstraße öffnen nur für die Besucher. Die Einheimischen lassen ihre Schuhe vor dem Eingang der Geschäfte stehen, für Touristen wird gerne eine Ausnahme gemacht. Ein paar Dorfbewohnerinnen zeigen traditionelle Handwerkstechniken, bevor sie aufbrechen, um in einem Gemeinschaftsraum eine Fußballübertragung anzusehen.

Genial simpel

Langsam kommt Leben in das beschauliche Dorf, das großen Wert auf Blumenschmuck legt. Auf jeder Hausmauer wuchern Setzlinge, die in abgeschnittenen Cola-Flaschen gezüchtet werden. Vor den Häuschen stehen kleine Gerüste aus Metall oder Holz, bespannt mit einem bunten Netz - eine genial simple Sitzgelegenheit, um mit Freunden oder Nachbarn bequem den neuesten Tratsch auszutauschen. Bei tropischen Temperaturen findet das soziale Leben schließlich das ganze Jahr über auf der Straße statt.

Ein Flughund.
Foto: Karin Cerny

Im Zentrum des Dorfs steht ein riesiger Baum, an dem vermeintliche Früchte baumeln. Tatsächlich sind es Flughunde, die kopfüber an den Ästen hängen, und wie Batman aussehen, wenn sie davonfliegen. Ein Großteil des Personals vom Lux-Resort wohnt auf dieser Insel, fährt täglich nach der Arbeit heim. Seltsam, wenn die eben noch weiß gekleideten Hotelboys plötzlich in Sportshirts mit ihren Mopeds davondüsen.

Ein buntes Dhoni, wie die traditionellen Holzboote der Malediven genannt werden.
Foto: Karin Cerny

Vor Einbruch der Dunkelheit geht es für die Touristen zurück auf das Schiff, dessen Dach als Terrasse genutzt werden kann. Ideal, um den Sonnenuntergang zu genießen. Es sind extreme Welten, die hier aufeinanderprallen, Alkohol und Freizügigkeit auf den Urlauberinseln, strenges muslimisches Leben außerhalb. Es gab auch bereits Pläne für ein erstes rein muslimisches Resort auf den Malediven.

Foto: Karin Cerny

Der Dorfausflug wird im Hotel noch ausführlich beim Abendessen diskutiert. Selten sorgte Normalität für so große Begeisterung. "Urlaube in abgeschotteten Luxusresorts sind unpersönlich", sagt ein deutscher Gast. "Türkises Meer gibt es doch auch auf den Philippinen und den Seychellen. Es ist schön, wenn man etwas vom Land mitbekommt." Trotzdem wollen morgen wieder alle den ganzen Tag am Strand liegen. Deshalb sind sie schließlich hergekommen: um den Luxus einer zum Leben erwachten Fototapete zu genießen. (Karin Cerny, Rondo, DER STANDARD, 28.11.2014)