Maxima Fernandes (47) lässt in den peruanischen Anden in der Nähe von Ayacucho auf etwa 3800 Meter Höhe Quinoa-Samen durch ihre Hände gleiten. Während unten in Lima über das Klima verhandelt wird, leiden die Bergbauern bereits massiv unter den Wetterkapriolen.

Foto: Philipp Hedemann

"Die Wissenschafter sagen, es liegt daran, dass die Erde immer wärmer wird. Ich glaube, es liegt daran, dass wir uns mit der Bibel in der Hand von den Apus, unseren Geistern, abgewendet haben", sagt Marcos Mejia Vilca. Dann nimmt er Kokablätter und Nelken und lässt sie in ein Wasserloch gleiten. Die Opfergabe in 4300 Meter Höhe soll den Apu des Wasserrückhaltebeckens Tapacchocha milde stimmen und dafür sorgen, dass er den Bauern auch in Zukunft Wasser gibt.

Peru ist eines der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder. Vom 1. bis zum 12. Dezember findet in der Hauptstadt Lima die 20. Weltklimakonferenz statt. Umweltschützer hoffen, dass sich die 194 Vertragsstaaten dort auf die Grundzüge eines neuen Klimaabkommens einigen, das 2015 beim Gipfel in Paris beschlossen werden soll. Marcos Mejia Vilca kann nicht so lange warten. Er spricht lieber mit den Geistern.

"Das Wetter ist verrückt"

"Früher war die Hitze nicht so heiß und die Kälte nicht so kalt. Es regnete mehr, wir wussten genau, wann die Wolken Wasser bringen, und der Hagel zerstörte nicht unsere Ernten. Schnee auf den Bergen speiste die Bäche. Aber heute ist das Wetter verrückt. Es wird immer schwieriger, hier zu überleben", sagt der alte Mann.

Vilca hat nichts anderes gelernt, als zu den Apus zu sprechen, das Feld zu bestellen und Alpakas, andere Lamas und Schafe zu hüten. Um trotz des Klimawandels überleben zu können, half die von der Deutschen Welthungerhilfe unterstütze Hilfsorganisation ABA seinem Dorf, das Wasserrückhaltebecken Tapacchocha zu bauen. Dieses und weitere 70 von ABA errichtete Wasserlöcher helfen jetzt, die vom "verrückten Wetter" verdörrten Berghänge wieder in Weiden und Äcker zu verwandeln.

Vermutungen zur Ursache

Die Kleinbauern in den peruanischen Anden haben den Klimawandel nicht verursacht, sie können ihn nicht aufhalten, doch sie leiden besonders unter ihm. Einige von ihnen haben im Radio gehört, "dass die Fabriken in den großen Ländern das Wetter verrückt gemacht haben". Manche glauben, dass die vielen Erdbeben in den Anden die Erdachse und damit das Wetter aus dem Lot gebracht haben. Andere vermuten, dass Gott das Land Peru damit bestraft für die rund 70.000 Menschen, die zwischen 1980 und 1995 dem Kampf zwischen der maoistischen Terrororganisation Leuchtender Pfad und der Regierung zum Opfer fielen.

Mit einer Rückbesinnung auf alte Weisheiten hilft ABA den Bauern jetzt bei der Anpassung an den Klimawandel. Eine der wiederentdeckten Techniken ist das "Säen und Ernten von Wasser". Schon die Inkas verstanden Wasser als lebendige Materie, die man hervorlocken kann. "Madres del agua" (Mütter des Wassers) genannte Pflanzen sollen das Wasser mit langen und schwammartigen Wurzeln an die Oberfläche ziehen. Zudem setzt ABA auf Terrassierungen, altes Saatgut, ausgeklügelte Bewässerungstechniken und natürlichen Dünger.

Verlorene Kartoffelernte

Doch die Hilfsorganisation kann nicht überall sein. In einem Dorf drei Geländewagenstunden nordöstlich von Cusco ist sie nicht. Ohne die Unterstützung der Landwirtschaftsexperten versucht Florencio Tunquipa Casilla dort seinem eineinhalb Hektar großen Feld auf 3800 Meter Höhe genug für sich und seine sechs Kinder abzuringen. Vor neun Monaten verlor er seine Kartoffelernte durch Frost. "Früher war es einfacher, hier zu leben. Heute macht es das Wetter fast unmöglich", erzählt der verzweifelte Bauer vor einem eingestürzten Lehmhaus. Casilla kannte die Leute, die darin lebten. Weil die Ernten immer schlechter ausfielen, flohen sie vor einigen Jahren in die Stadt. Auch Casilla versuchte, sich dort durchzuschlagen, doch weil es in den peruanischen Städten mittlerweile abertausende Klimaflüchtlinge gibt, fand er kaum Arbeit.

In Peru produzieren Kleinbauern wie Casilla 80 Prozent der im Land konsumierten Nahrung. Wenn sie weniger ernten, gefährdet dies langfristig die Ernährung der 30 Millionen Peruaner. Noch befinden sich 70 Prozent aller tropischen Gletscher in Peru, doch die steigenden Temperaturen lassen sie immer schneller abschmelzen. Die Wasserversorgung des wüstenartigen Küstenstreifens, in dem fast zwei Drittel aller Peruaner leben, wird so immer schwieriger. Zudem macht der Temperaturanstieg schon heute viele Menschen krank. "Weil es immer weniger Wasser gibt, müssen wir oft dehydrierte und unter- oder mangelernährte Kinder behandeln", sagt Luz Maplpartida, Gesundheitsreferentin in der Andenprovinz Paucartambo.

Abgesenkte Umweltstandards

Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal versucht diesen Entwicklungen entgegenzuwirken, doch die ins Straucheln geratene peruanische Wirtschaft macht seinen Job immer schwieriger. Der jahrelange Boom basierte vor allem auf der Ausbeutung von Bodenschätzen. Der schwächelnden Konjunktur versucht die Regierung jetzt unter anderem mit Absenkungen von Umweltstandards im Bergbau entgegenzutreten.

Während der Klimakonferenz wollen deshalb mehr als 80 im Netzwerk Grupo Perú COP 20 zusammengeschlossene Gewerkschaftsverbände, Bauernorganisationen, kirchliche und indigene Gruppen sowie Umweltschutzbewegungen Druck machen. Die "Grupo" fordert, dass sich alle Teilnehmerstaaten verpflichten, ihre Emissionen ab 2015 deutlich zu senken und die Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels Anpassungsprojekte in Entwicklungsländern finanzieren.

Ein großer Unterschied

Doch Juan Vaccari Chávez, Direktor des peruanischen Instituts für Entwicklung und Umwelt, ist pessimistisch. "In Peru sind der Staat und die Regierung schwach und die Unternehmen stark - und viele Unternehmen wollen eine Ausbeutung der Natur ohne Rücksicht auf die Umwelt", sagt der bekannte Aktivist. Dazu kommt: "Von vorangegangen Klimakonferenzen wissen wir, dass ein großer Unterschied besteht zwischen dem, was beschlossen, und dem, was umgesetzt wird." (Philipp Hedemann, DER STANDARD, 27.11.2014)