Ferngesteuerte Fluggeräte sorgen für Unbehagen in Frankreich.

Seit Wochen haben mindestens dreißig unbemannte Drohnen Atomkraftwerke in ganz Frankreich überflogen. Wer sie steuert, ist unbekannt. Sicher ist nur, dass es sich nicht um Schulbubenstreiche handelt: In einer einzigen Nacht, am 31. Oktober, wurden bei mehr als sechs unterschiedlichen Anlagen in Süd- und Nordfrankreich Drohnen registriert.

Die Behörden hielten eine akute Bedrohung bisher für ausgeschlossen. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, die unidentifizierten fliegenden Geräte würden nicht abgeschossen. Laut Umweltschützern wurde die Fliegerabwehr aber an mehreren Orten zumindest durch Radaranlagen verstärkt.

Greenpeace gab eine unabhängige Studie in Auftrag, um die mögliche Gefährdung zu eruieren; am Montag präsentierte der britische Autor John Large sein Gutachten einem Ausschuss der französischen Nationalversammlung.

Zu klein für Radaranlagen

Sein Fazit: "Französische Atomkraftwerke sind durch Drohnenangriffe verwundbar." Die nuklearen Sicherheitsdispositive stammten aus einer Zeit, als es noch keine Handys oder Drohnen gegeben habe, meint er; Radaranlagen seien nicht in der Lage, kleine Flugobjekte zu erkennen.

Vor dem Parlamentsausschuss listete Large mögliche Szenarien auf. "Aufklärungsflüge" per Drohnen könnten dazu dienen, Attacken per Helikopter oder schwerere Drohnen vorzubereiten; sie könnten selbst Bomben mitführen oder Personen auf dem AKW-Gelände mit Sprengstoff versorgen.

Laut dem britischen Spezialisten für Atomsicherheit können Drohnen aber auch bei einem Anschlag auf vorgelagerte Kühlsysteme dienen. Einige dieser Flugobjekte genügten, um die Pumpen entlang des Wasserkanals bei einem AKW außer Kraft zu setzen.

"Anlass zu großer Sorge"

Die Folge wäre laut Large "ein nicht beherrschbarer Kühlmittelverlust und damit ein Kernschmelzunfall". Dies oder ein durch eine Bombe bewirktes Loch im Reaktormantel könnte zu einem Störfall wie in Fukushima führen - mit einer möglichen radioaktiven Verstrahlung von Frankreich, Belgien und Deutschland bis nach Schweden.

Aus all diesen Gründen, so erklärte Large bei der Anhörung, "sollten diese wiederholten Drohnenflüge für uns alle Anlass zu großer Sorge sein".

Der Abgeordnete Jean-Yves Le Daut erwiderte, die mysteriösen Überflüge änderten nichts an der seit Jahren betriebenen Terrorbekämpfung. Greenpeace-Sprecher Yannick Roussel warf dem Staat vor, die Gefahr zu verharmlosen, so wie er bei der Tschernobyl-Katastrophe behauptet habe, die radioaktive Verstrahlung habe an den französischen Landesgrenzen haltgemacht. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 27.11.2014)