"Es war der Staat": Protest vor der Innsbrucker Gerichtsmedizin.

Foto: Haydé López

Am Gerichtsmedizinischen Institut der Innsbrucker Universität werden dieser Tage jene sterblichen Überreste analysiert, die laut Angaben der mexikanischen Regierung von den 43 Ende September entführten Studenten stammen sollen.

Demonstranten, die zuletzt auch in der Innsbrucker Innenstadt demonstrierten, zeigen allerdings wenig Vertrauen in die von den mexikanischen Behörden angeordnete Untersuchung: In einem Schreiben, das sie Institutsvorstand Richard Scheithauer überreichten, erinnern sie den Arzt daran, dass er nicht nur seinen Auftraggebern aus Mexiko, sondern "vor allem der Wahrheit verpflichtet" sei. "Wer kontrolliert die Entnahme und Zuordnung der DNA-Vergleichsproben der Angehörigen?", fragt Demonstrant Oscar Thomas-Olalde.

Das Misstrauen der Austro-Mexikaner ist nicht ganz unbegründet: Mexikos Regierung würde den Fall gerne schnell als aufgeklärt abhaken, als weiteres Verbrechen im Drogenkrieg, der seit dem Jahr 2006 offiziellen Angaben zufolge 80.000 Todesopfer gefordert hat. Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam beendete die Pressekonferenz, auf der er bekanntgab, die Studenten seien ermordet und verbrannt worden, mit den Worten "Ya me cansé" – "Ich bin schon müde", aber auch "Ich habe schon genug", um keine weiteren Journalistenfragen beantworten zu müssen.

"Es war der Staat"

Eine der Parolen, die auf den weltweiten Kundgebungen für die verschleppten Studenten gerufen werden, ist "Fue el Estado" – "es war der Staat". Die Demonstranten wissen, dass die mutmaßlichen Auftraggeber der Entführung, der Bürgermeister der Stadt Iguala und seine Ehefrau, bereits mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt kamen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen.

Die Studenten wurden laut Geständnissen von der örtlichen Polizei an einer Straßensperre festgenommen und einer Drogenbande übergeben, Bilder aus einer Verkehrskamera sollen zeigen, wie sie auf der Ladefläche von Pick-ups der Sicherheitskräfte abtransportiert werden.

Keine Auskünfte

An der Innsbrucker Gerichtsmedizin gab man sich auf STANDARD-Nachfrage verschlossen: Zu laufenden Fällen gebe man grundsätzlich keine Informationen, lediglich allgemeine Fragen könnten beantwortet werden.

Professor Walther Parson, der im Jahr 2008 die vermissten Kinder der russischen Zarenfamilie identifizierte, gibt an, dass auch bei verbrannten menschlichen Überresten verwertbare DNA-Ergebnisse möglich seien. Allerdings sinke diese Chance, je länger die Leichen im Feuer lagen.

1.600 Grad

Laut Angaben der mexikanischen Staatsanwaltschaft wurden in dem Massengrab auf einer Mülldeponie Autoreifen und brennbare Flüssigkeiten angezündet, das Feuer soll Temperaturen von 1.600 Grad erreicht und 14 Stunden lang gebrannt haben.

Zuordnung und Authentizität der zu vergleichenden Proben, so Parson, definiere jedenfalls der Auftraggeber. Die argentinischen Gerichtsmediziner, die zahlreiche Opfer der dortigen Militärdiktatur identifizierten und ebenfalls im mexikanischen Bundesstaat Guerrero an der Identifizierung der verbrannten Leichen arbeiten, geben hingegen an, für sie sei es wichtig, ein Vertrauensverhältnis zu den Hinterbliebenen aufzubauen.

"In den meisten von uns bearbeiteten Fällen", sagte Institutsvorstand Luis Fontebrider der argentinischen Zeitung "Clarín", "ist der Staat der Mörder, weswegen die Familien der Opfer den örtlichen Gerichtsmedizinern, die von Justiz oder Polizei entsandt werden, kein Vertrauen entgegenbringen."

Mexikos Behörden gehen davon aus, dass die Studenten Ende September von korrupten Polizisten entführt und anschließend von Drogenhändlern ermordet wurden. Mexikos Präsident Enrique Pena Nieto kündigte deshalb eine Reform der Polizeistrukturen an. Ein neues Gesetz soll künftig verhindern, dass Beamte gemeinsame Sache mit Drogenbanden machen. (bed, derStandard.at, 28.11.2014)