Werner Faymann sollte Reinhold Mitterlehner für die SPÖ-Ehrenmitgliedschaft vorschlagen. Dem Vizekanzler und ÖVP-Chef hat er es zu verdanken, dass er sich im Vorfeld des Parteitags als Retter vor dem bösen Pensionsautomaten aufspielen kann. Was Mitterlehner geritten hat, den Vorschlag zum jetzigen Zeitpunkt wieder auszugraben, wissen wohl nur seine Berater - hoffentlich.

Gewinnen kann er mit dem Thema nämlich nichts. Die Pensionsautomatik ist in der Bevölkerung unbeliebt. Befeuert wird die ablehnende Haltung noch durch die SPÖ-Warnungen vor dem "kalten, herzlosen Computer". Der ÖVP fehlt auch jegliches Druckmittel, um das Konzept in der Koalition zu pushen. Im rot-schwarzen Regierungsprogramm, das im Vorjahr auf 114 Seiten niedergeschrieben wurde, findet sich kein Wort dazu. Jetzt nachholen zu wollen, was Michael Spindelegger und sein Team möglicherweise verabsäumt haben, kann nur zum Scheitern verurteilt sein.

Auch aus inhaltlicher Sicht spricht nichts dafür, neue Fronten aufzumachen. Reformen bei der Invaliditätspension sind erst seit Jahresbeginn in Kraft, jetzt schon massive Kostensenkungen oder einen deutlichen Anstieg beim Pensionsantrittsalter zu erwarten wäre naiv. Sich, wie eigentlich vereinbart, bis 2016 für eine Evaluierung Zeit zu geben ist sinnvoll.

Mitterlehner sollte sich also nicht dem virtuellen Kampf um die Automatik widmen, sondern den offenen Baustellen, die tatsächlich schwarz auf weiß im Regierungsprogramm stehen. Beispielsweise dem Bonus-Malus-System: Dieses soll Firmen, die viele ältere Mitarbeiter beschäftigen, belohnen; und solche, die wenige beschäftigen, bestrafen.

Umgesetzt ist es noch nicht, weil sich Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und sein ÖGB-Pendant Erich Foglar nicht grün sind. Blöderweise ist noch ein ganzer Rattenschwanz an Arbeitsmarktreformen mit dem Bonus-Malus-System junktimiert. Auf die Sozialpartner zu warten mag zwar gelebte Realpolitik in Österreich sein, ist aber auch ein Zeichen der Schwäche der Regierung.

Was das rot-schwarze Bild abrundet: Werner Faymann ist derzeit hochgradig nervös. Er tingelt zwischen Gewerkschaftstagungen und Landesparteisitzung quer durchs Land, um den Genossen das Rote vom Himmel zu versprechen. Der 54-Jährige ist zwar bereits seit fast sechs Jahren Bundeskanzler, muss aber offenbar noch immer Angst haben, von den Parteitagsdelegierten eine Abfuhr zu erleiden - wie 2012, als er das katastrophale Ergebnis von nur 83 Prozent einfuhr.

Mit seiner Politik des gnadenlosen Machtpragmatismus konnte er sich zwar als einer von wenigen europäischen Regierungschefs im Amt halten, machte sich unter den Ideologen der Partei aber auch Feinde.

Dank Mitterlehners doppelter Unterstützung - neben dem Pensionsthema wird auch das starke Parteitagsergebnis des ÖVP-Chefs die Geschlossenheit bei den Roten befördern - wird Faymann dieses Mal wohl die 90-Prozent-Latte überspringen. Die letzten Wochen und Monate sind dennoch kein gutes Omen für das kommende Jahr. Wenn schon die Furcht vor einem schlechten Parteitagsergebnis zu verhärteten Fronten führt, warum soll es dann im Superwahljahr 2015 - mit Landtagswahlen in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland - anders sein? (Günther Oswald, DER STANDARD, 27.11.2014)