Zum zweiten Mal als Zeuge geladen: Friedrich Stickler, Vorstandsdirektor der Österreichischen Lotterien und ehemaliger Präsident des Österreichischen Fußballbundes.

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Wien - Neunter Verhandlungstag im Prozess gegen den ehemaligen BZÖ-Obmann und Ex-Vorstand der Fußball-Bundesliga, Peter Westenthaler: Am Wiener Straflandesgericht ist am Donnerstag zum zweiten Mal in diesem Verfahren Friedrich Stickler, Vorstandsdirektor der Österreichischen Lotterien und ehemaliger Präsident des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB), als Zeuge vernommen worden.

Eine "Scheinrechnung"

Während es beim ersten Termin um eine laut Anklage von Westenthaler zweckwidrig verwendete Nachwuchsförderung an die Bundesliga in Höhe von einer Million Euro gegangen war, wurde Stickler diesmal zu den 300.000 Euro befragt, welche die Lotterien im Sommer 2006 der BZÖ-eigenen Agentur Orange überwiesen hatten.

Für die Staatsanwaltschaft handelt es sich dabei um eine "Schmiergeldzahlung", die Lotterien hätten sich das Wohlwollen des kleineren Regierungspartners in der damaligen ÖVP-BZÖ-Koalition sichern wollen. Das BZÖ beziehungsweise dessen Werbeagentur hätten keine adäquate Gegenleistung für das geflossene Geld erbracht. Eine im Auftrag von Westenthaler erstellte Studie zum Thema Online-Glücksspiel und Responsible Gaming sei inhaltlich wertlos gewesen und habe ausschließlich als "Scheinrechnung" gedient, um die 300.000 Euro-Zahlung zu legitimieren, so der Tenor der Anklage, die in diesem Punkt Westenthaler Untreue als Beteiligter vorwirft.

Rechnung urgiert

"Doktor Leo Wallner war der Auslöser dieses Vorgangs", stellte Stickler dazu nun unmissverständlich fest. Dieser - Vorstandsvorsitzender der Lotterien und langjähriger Generaldirektor der Casinos Austria AG - habe ihn, Stickler, Ende September 2006 angerufen und wissen lassen, dass die Rechnung über 300.000 Euro bereits "urgiert" werde. Wallner habe ihn ersucht, "ich möge die Überweisung veranlassen". Bevor er das tat, habe er noch nachgefragt: "Leo, ist das in Ordnung?" Dieser habe ihm beschieden: "Ja, das ist in Ordnung und kann angewiesen werden", gab Stickler zu Protokoll.

Laut Rechnung wurden die 300.000 Euro der BZÖ-Agentur für im Zeitraum April bis Juli 2006 erbrachte "Beratungsleistungen" zum Themenbereich Responsible Gaming bezahlt. Die neunseitige Studie, die ein enger Westenthaler-Mitarbeiter übers Wochenende mittels Internet-Recherchen verfasst hatte, war auf der Rechnung nicht explizit erwähnt. Er habe diese Studie nicht gekannt, betonte Stickler. Die Agentur Orange sei ihm damals unbekannt gewesen, bemerkte Stickler: "Ich wusste nicht, dass es da einen Zusammenhang mit dem BZÖ gibt."

Frage der Kontrolle

Ihm sei daher wichtig gewesen, dass der gesamte Lotterien-Vorstand und damit auch Leo Wallner die Rechnung abzeichnete. Auf die Frage, ob er die Forderung nicht überprüft habe, erwiderte Stickler: "Ich kann große Auftragssummen, Bestellungen nicht kontrollieren. Wenn die IT Software um 100.000 Euro bestellt, kann ich das nicht kontrollieren. Wenn Beratung in Anspruch genommen wird, muss mich auf die Kollegen verlassen, dass das in Ordnung ist."

Wenn Leo Wallner für sich Beratungsleistungen geordert hätte, hätte ihn das nicht unbedingt überrascht, gab Stickler zu verstehen. Wallner sei "nicht unbedingt medienaffin" gewesen und habe "keine E-Mails geschrieben". Außerdem sei Wallner in einem Büro am Lueger-Ring gesessen, während er selbst im Haus der Lotterien am Rennweg gearbeitet hätte. Jedenfalls sei Wallner für politische Kontakte, was das Glücksspielwesen betrifft, zuständig gewesen. So habe sich dieser mit dem BZÖ-Gründer Jörg Haider gut verstanden: "Sie hatten ein gutes Verhältnis. Sie haben sogar Tennis gespielt miteinander."

Nicht verhandlungsfähig

Auf die konkrete Frage von Richter Wolfgang Etl, ob mit heutigem Wissensstand für die 300.000 Euro irgendeine Leistung erbracht worden sei, räumte Stickler schließlich ein: "So weit ich das beurteilen kann, gibt es keinen schriftlichen Nachweis." "Hätten Sie für die Studie zum Responsible Gaming 300.000 Euro bezahlt?", hakte Etl nach. "Aber diese Studie wird in der Rechnung ja nicht einmal erwähnt", betonte Stickler noch einmal.

Die Staatsanwaltschaft sieht in diesem Anklagefaktum Wallner als unmittelbaren Täter, der die Lotterien um 300.000 Euro geschädigt habe, indem er das Geld auf den Weg zum BZÖ brachte. Er wurde auch angeklagt, ist aufgrund seines angeschlagenen gesundheitlichen Zustands derzeit aber nicht verhandlungsfähig. Ein entsprechendes ärztliches Gutachten soll der Justiz inzwischen vorliegen. Wallner ist 79 Jahre alt.

Dass sich die Lotterien dem Strafverfahren nicht als Privatbeteiligte angeschlossen haben, um auf diesem Weg die 300.000 Euro zurückzufordern, nannte Oberstaatsanwältin Barbara Schreiber "höchst erstaunlich". Sie nahm mit Verwunderung zur Kenntnis, "dass man den Prozessausgang abwartet und dann um teures Geld prozessiert". Stickler verteidigte dieses Vorgehen: "Wir haben das mit unseren Rechtsberatern besprochen."

Gegen Gesetzesnovelle

Der Hintergrund der 300.000-Euro-Zahlung soll laut Anklage der Umstand gewesen sein, dass im Juli 2006 eine Novelle zum Glücksspielgesetz in parlamentarischer Behandlung war, die eine Aufweichung des Glücksspielmonopols bedeutet hätte. Wäre das Gesetz geändert worden, wäre eine zusätzliche Konzession für elektronische Lotterien zu haben gewesen. "Das hätte das Glücksspielmonopol in Österreich in die Luft gesprengt", sagte dazu nun Stickler. "Das war eine Existenzfrage für uns." Man habe daher alles versucht, die Gesetzesänderung zu verhindern. Als der Richter wissen wollte, ob dafür grundsätzlich auch Parteispenden infrage gekommen wären, zeigte sich Stickler entrüstet: "Für mich ist das unvorstellbar, dass man für ein Gesetz etwas bezahlt."

Als er von der geplanten Novelle Kenntnis erlangte, habe er unverzüglich Westenthaler angerufen und "Peter, was ist da los?" gefragt. Dieser habe ihm "Die Kugel ist aus dem Lauf" beschieden und dass man "da nichts mehr machen" könne. Die Gesetzesinitiative sei "aus dem BZÖ heraus gekommen" und mit der ÖVP als größerem Regierungspartner "abgesprochen" gewesen, so Stickler. Dass die Regierungsvorlage dann doch scheiterte – der Abänderungsantrag wurde letzten Endes im Parlament gar nicht behandelt –, führte Stickler darauf zurück, dass das Gesetzesvorhaben "an den Abgeordneten vorbei" und "in kleinstem Kreis" vorbereitet worden sei.

Verärgerter ÖVP-Klubchef

Der Lotterien-Vorstand gab zu, einzelne Mandatare telefonisch kontaktiert zu haben. Namentlich erwähnte Stickler den damaligen Generalsekretär des Wirtschaftsbundes, Karlheinz Kopf, sowie den späteren Vizekanzler Wilhelm Molterer, damals Klubobmann der ÖVP im Parlament. Letzterer soll die beabsichtigte Gesetzesanderung laut Stickler diesem gegenüber mit den Worten "Was hast du eigentlich? Das ist doch nichts Dramatisches. Lass die halt ein bisserl im Internet spielen" verteidigt haben. Auf das Scheitern des Gesetzesvorhabens hin habe sich Molterer ihm gegenüber "ziemlich verärgert" gezeigt, sagte Stickler weiter aus: "Er hat gemeint, das wäre nicht notwendig gewesen, so massiv zu agieren, so viele Leute anzurufen." Westenthaler sagte zu Sticklers Aussagen, dass er diese "zu fast 100 Prozent bestätigen" könne Und folgerte: "Das Motiv in der Anklage hält nicht einmal annähernd." (APA, 27.11.2014)