Grausiges Stück Geschichte: das Fallbeil im Keller des Grazer Landesgerichts. Im März 1945 vergruben es ein Wachebeamter und ein Häftling und verhinderten damit weitere Hinrichtungen an diesem Ort.

Foto: Elmar Gubisch

Graz - "Sei schön brav und werde wie Deine Omama. Vergiss nicht auf mich." So endet ein Brief, den Helene Serfecz am 13. September 1943 an ihr Enkelkind schrieb. Die Grazer Hausfrau wurde im Landesgericht in Graz hingerichtet.

Ein Seelsorger berichtete später über die für ihn erste Hinrichtung und Serfecz, die getötet wurde, weil sie in der Widerstandsgruppe Rote Gewerkschaft ein paar Reichsmark für Familien von politisch Gefangenen gesammelt hatte: "Sie war sehr mutig. (...) Sie sang in ihrer Zelle noch Lieder, bis man sie zur Hinrichtung holte."

Tod hinter der Metalltüre

Dann ging es in einen kleinen Kellerraum im Gericht in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße. Der letzte Weg für sie und 105 andere Menschen, die hier bis 1945 hingerichtet wurden. Öffnet man die schwarze Metalltüre heute, steht man vor grünen Kränzen, in deren Mitte das Fallbeil als grauenerregendes Mahnmal liegt. Die meisten der Männer und Frauen waren in verschiedenen steirischen, Kärntner und slowenischen Widerstandsgruppen organisiert gewesen, 23 waren Deserteure.

Kränze werden hier seit Jahren niedergelegt, die Tafel links an der Wand ist aber seit 1. November neu. Denn Historiker Heimo Halbrainer sorgte dafür, dass vier alte unvollständige Tafeln durch eine neue ersetzt werden konnten. Er recherchierte nicht nur Namen, sondern auch sämtliche Biografien und gab auch den Slowenen, deren Geburtsnamen zwangsweise eingedeutscht worden waren, ihre Namen zurück.

Aufarbeitung seit über 20 Jahren

Halbrainer arbeitet seit über 20 Jahren unermüdlich die NS-Zeit auf und erhielt dafür 2013 Menschenrechts- und Wissenschaftspreise. Vor wenigen Tagen kam zum Preisreigen das Goldene Ehrenzeichen des Landes für seine Verdienste um die Zeitgeschichte in der Steiermark dazu. Jedes Jahr publiziert Halbrainer mehrere Bücher. Am Mittwochabend wurde das jüngste im Graz-Museum (ehemals Stadtmuseum) präsentiert, in dem auch diese 106 Biografien festgehalten sind. Der Titel ist ein Zitat aus dem Brief der Marxistin Serfecz, nach der 2011 ein Grazer Platz benannt wurde: "Sei nicht böse, dass ich im Kerker sterben muss" heißt das Gedenkbuch (Clio-Verlag).

Die Abwesenheit von Respekt und Mitgefühl für den Einzelnen sei es unter anderem gewesen, die in der Nazidiktatur zu Massenmorden geführt hätte, so Halbrainer bei der Präsentation seines "papierenen Denkmals". Auch deswegen seien ihre Geschichten und Gesichter so wichtig.

Unterschied zwischen Strafrecht und Strafunrecht

Oberlandesgerichtspräsident Manfred Scaria würdigte Halbrainers Arbeit im völlig überfüllten Parterre des Museums als "nicht nur demokratiepolitisch wichtig, sondern auch als Möglichkeit, Jusstudenten den Unterschied zwischen Strafrecht und Strafunrecht anschaulich zu machen".

Martin Polaschek, Rechtshistoriker und Vizerektor der Uni Graz, sprach danach auch über die Vielzahl von Volksgerichten und Sondergerichten, mit denen man das Terrorregime in einem dichten Unrechtssystem einzementierte. Der NS-Justiz und der schnell endenden Verfolgung von Nazirichtern nach 1945 sind Teile des 381 Seiten starken Buches gewidmet.

Fallbeil versteckt

Das Fallbeil der Grazer Guillotine war zwischenzeitlich verschwunden: Nach der Hinrichtung der Trofaiacher Widerstandskämpfer Josef Kröll und Willibald Piffrader ließ es der diensthabende Wachkommandant am 27. März 1945 verschwinden. Ein Wachebeamter und ein Häftling verscharrten es in einem Bombenkrater, sodass, zumindest im Landesgericht, keine Hinrichtungen mehr stattfinden konnten. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 28.11.2014)