"Torchance 2015" ist am 28. November für Windows in der Retail-Fassung erschienen. Auf Steam ist das Spiel seit 2. Dezember unter dem Titel "Club Manager 2015" verfügbar.

Foto: Torchance 2015
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In den Fußball-Ligen Europas rittern dieser Tage die Clubs um die Führung zur Saisonhalbzeit. Auf europäischer Ebene gehen die Gruppenphase von Europa League und Champions League in die heiße Phase. Bis der Winter eine Zwangspause verordnet, hält König Fußball das Zepter noch fest in der Hand.

Im digitalen Rasensport kommen virtuelle Kicker bei "FIFA 15" und "PES 2015" voll auf ihre Kosten. Trist hingegen sieht es für jene aus, die die Geschicke einer Mannschaft als Trainer und Manager lenken wollen. Vergangenes Jahr hat sich EAs "Fußball Manager" mit seiner letzten Ausgabe offiziell vom Markt verabschiedet – und das Feld damit dem "Football Manager" von Sports Interactive überlassen.

Unter dem Radar

Im Schatten der zwei Großen veröffentlichte ein kleines Entwicklerstudio namens Big Blaze Games 2013 ein Spiel namens "Torchance 2014", das von den Machern des mittlerweile nicht mehr betreuten "Dirk's kostenloser Fußballmanager" stammt. Der Spielepresse flog das Projekt aber zu tief unter dem Radar.

Trotzdem konnte man offenbar erfolgreich eine Fangemeinde aufbauen, denn nach zahlreichen Updates heißt das Spiel nun "Torchance 2015" und wurde neu aufgelegt. Der GameStandard hat sich der fußballerischen Herausforderung gestellt.

Ungleiche Brüder

Das Konzept des "Football Manager" und "Torchance" könnten unterschiedlicher nicht sein. Wer sich in fast alle erdenklichen Aspekte des Managerdaseins hinein tigern, minutiös den Kader planen, die Taktik entwickeln und sogar einzelne Trainingsübungen vorgeben will, wird beim vor allem in Großbritannien populären Produkt fündig. Dort lässt sich mit dem Drehen an diversen Rädchen zwischen einzelnen Ligaspielen gut und gerne eine Stunde verbringen, und das darf noch als optimistische Schätzung angesehen werden.

Und dann gibt es "Torchance", wo der gleiche Zeitraum für eilige Teamchefs ausreichen soll, um eine komplette Saison zu absolvieren. Wie das geht? Die Antwort lautet: Reduktion.

Frischer Start als Achtligist

"Torchance 2015" konzentriert sich auf Deutschland. Man steht vor der Wahl, entweder einen Verein in der achten Liga komplett neu zu gründen oder mit dem eigenen Lieblingsclub in dessen Liga oder der gewünschten Ligastufe anzufangen. Erwartungsgemäß findet man keine originalen Team- und Spielernamen vor, jedoch liefert die Community Datenpakete, die dieses Manko ausmerzen.

Nach Eingabe des Namens und der Wahl eines von vier Portraits steht man auch schon im Geschehen. Gründet man einen neuen Club – wir versuchen unser Glück mit den "Hamburg Rovers" -, wird man mit einem Startbudget gesegnet, mit dem es einen Kader zusammenzustellen gilt. Kicker für das eigene Ensemble finden sich entweder in der (insbesondere für einen Achtligisten) ausufernd großen Jugendabteilung oder am Transfermarkt.

(Keine) Verhandlungssache

Dort gilt es, die Suchkriterien entsprechend Einzuschränken, denn nachvollziehbarerweise zeigen sich Kicker höheren Stärkegrades nicht interessiert daran, in die sportliche Bedeutungslosigkeit zu wechseln. Das Budget gilt es stets im Hinterkopf zu behalten, denn es gilt neben der Ablösesumme auch die Gehälter der Kicker zu berücksichtigen. Beides variiert je nach Alter, Stärke (1 bis 20 in Zehntelschritten) und Talent (1 bis 5 Sterne). Detailwerte wie "Schusskraft" oder "Passgenauigkeit" gibt es nicht.

Das Konzept beim Kauf von Spieler nam Transfermarkt oder der Nachwuchsrekrutierung ist dabei "ganz oder gar nicht". Lediglich wenn man selber Kicker abgibt kann man ein wenig um den Preis feilschen, oder so lange, bis der Interessent sich gefrustet zurückzieht.

Erzwungene Voraussicht

"Torchance" zwingt den Spieler dabei in mehrerlei Hinsicht zu langfristiger Planung. Transfers können nur im Juli oder Januar abgewickelt werden, dazwischen lassen sich die immer auf ein Jahr abgeschlossenen Verträge um maximal ein weiteres Verlängern. Noch knapper ist die Frist für den Einkauf von Merchandise-Artikeln, die eine mitunter wertvolle Einnahmequelle darstellen. Der Vorrat für die komplette Saison muss spätestens am 15. Juli bestellt werden

Saisonstart

Hat man seine Mannen beisammen, einen Sponsor gefunden sowie Co-Trainer und andere Hilfskräfte engagiert, kann man ein Trainingslager für sein Team buchen. Das geschieht über eine Weltkarte mit verschiedenen Destinationen unterschiedlicher Qualität und Kosten, die wohl nicht von ganz ungefähr an den Ascaron-Oldie "Anstoss" erinnert. Ebenso wie das als Schreibtisch aufgebaute Hauptmenü des Spiels ist das nicht die einzige Reminiszenz an diesen und andere Klassiker wie die "Bundesliga Manager"-Reihe.

Ist der Übungsaufenthalt beendet, folgt ein kleiner Wettbewerb namens "Big Blaze Turnier". Dort treffen acht scheinbar zufällig zusammengewürfelte Teams (inklusive des eigenen) in zwei Gruppen sowie Semifinale und Endspiel aufeinander. Einfluss nehmen kann der Spieler hier nicht, es ist nur möglich, sich durch die Ergebnisse durchzuklicken. Zwei Teams aus den beiden obersten Spielklassen fertigen die Rovers mit Kantersiegen ab. Gegen den Sechstligisten in der Gruppe wird mit einem 1:3 zumindest ein weiteres Debakel vermieden und die Antrittsprämie erweist sich als nette Budget-Auffettung. Freundschaftsspiele oder eigene Turniere können nicht vereinbart werden.

Training und Aufstellung

Zu Wochenanfang muss immer das Training für die einzelnen Spieler festgelegt werden. Mit "Allgemein" lässt sich die Spielerstärke langsam steigern, Kondition und Frische hingegen sind für das unmittelbare Geschehen am grünen Rasen relevant. Wer mag, kann dies auch vom Co-Trainer anhand der Vorgabe von Mindestwerten für letztere zwei erledigen lassen.

Das eigene Team kann in einer von sieben möglichen Formationen auflaufen. Ausgefallenes gibt es dabei nicht zu sehen, die Bandbreite reicht vom langweiligen 4-4-2 bis zum 5-4-1-Busparkplatz und dem gewagteren 3-4-3. Ein Verschieben von Positionen oder genauere taktische Vorgaben lassen sich nicht machen. Man kann allerdings den Einsatz der eigenen Truppe festlegen und mit einer Siegprämie weiteren Anreiz schaffen.

Je mehr Ehrgeiz man von den eigenen Kickern fordert, desto stärker ist zwar das Auftreten meistens, dafür leiden aber Ausdauer und Frische. Zudem steigt das Risiko, sich Verwarnungen einzufangen. Bei Heimspielen kann man zudem eine kleine Wette mit dem Heimsponsor abschließen.

Vorgefertigte 3D-Szenen

Die Darstellung des Spielgeschehens weckt Erinnerungen an "Anstoss 2". Chancen werden in Form vorgefertigter 3D-Animationen auf eher mäßigem Niveau dargestellt. Dass es gerade einmal fünf verschiedene Szenen in zwei Geschmacksrichtungen (Tor/kein Tor) zu geben scheint, kommt der Abwechslung nicht gerade zu gute.

Die Einblendungen lassen sich auch abschalten. Da sie aber keinen weiteren Aufschluss über etwaige Schwachstellen der eigenen Formation geben und auch kein Textkommentar existiert, stellen Frische und Kondition das einzige nachvollziehbare Auswechselkriterium dar. Erst nach einer Partie hat man Einblick auf die Noten der Spieler. Infolge dessen wird das Training zu einem unbedeutenden und schnell abgehakten Teil von "Torchance 2015". Im Vordergrund stehen die Entwicklung von Kader und Infrastruktur.

Auch hier sind die Möglichkeiten begrenzt, zumal viele Optionen zum Ausbau des Stadions und dem Bau zusätzlicher Einrichtungen wie einem Parkplatz für einen kleinen Klub viel zu kostspielig sind. Trotzdem gilt es, den Platz für Zuseher nach und nach zu erweitern, denn spätestens nach einem Aufstieg benötigt man deutlich mehr Geld, um in der neuen Liga mitzuhalten. Das eigene Guthaben kann auch gegen Zinsen über verschiedene Zeiträume angelegt oder per Kredit aufgestockt werden.

Gut für schnelle Mehrspieler-Partien

Obwohl der Menüaufbau nicht immer optimal ist (wer einen alten Spielstand laden will, muss allen Ernstes das Spiel komplett beenden und neu starten) und die Ladezeiten teilweise nerven, kommt man bei "Torchance" in der Tat schnell von Match zu Match. Das macht das Spiel, trotz aller Limitierungen, natürlich attraktiv für lokale Mehrspielerpartien. LAN- oder Online-Modi gibt es ohnehin nicht.

Technik von vorgestern

Verbesserungswürdig ist die generell altbackene Präsentation des Spieles, nebst des schnell langweiligen Soundtracks. Wer mag, kann eigene MP3-Dateien in ein Verzeichnis des Spieles laden und von dort wiedergeben lassen – oder wirft im Hintergrund einfach den Audioplayer oder Streamingdienst seiner Wahl an.

Ähnlich angestaubt wie seine Ästhetik dürfte auch die Technik hinter "Torchance 2015" sein. Vor dem ersten Start forderte Windows die Installation von DirectPlay, einem Bestandteil von DirectX der aufgrund seiner Defizite schon lange von Spieleentwicklern geschmäht wird und eigentlich für die Umsetzungen von (hier wie gesagt nicht existierenden) Online-Funktionen genutzt wurde.

Bei größeren Berechnungsrunden von einem Tag auf den nächsten braucht der Manager nicht nur seine Zeit, sondern macht gelegentlich den Eindruck, gleich abzustürzen, was aber tatsächlich kein einziges Mal passiert ist. Eine Geduldsübung stellt auch das Abspeichern dar, weswegen das Fehlen einer Autosave-Funktion nicht verwundert. Ein weiteres Kuriosum: Patches müssen nach dem Download händisch eingepflegt werden, durch Entpacken und verschieben des Inhalts in den Spielordner. Für die Steam-Version, die unter dem Titel "Club Manager 2015" erscheint, wird das allerdings nicht gelten.

Von Größenwahn und anderen Hindernissen

Die Hamburg Rovers jedenfalls gewannen ihr erstes Saisonspiel mit 2:1 und fanden sich zur Saisonmitte auf Rang 8 wieder. Punktuelle, aber nicht ganz billige Personalaufstockungen im Winter ließen das Team Spiel für Spiel Punkte gut machen, sodass es am Ende sogar für den Meistertitel reichte. Wieder wurde eingekauft, um in der siebten Liga nicht gleich unter die Räder zu kommen.

Die Kombination aus teuren Gehältern, zu wenig erworbenen Merchandiseartikeln und einem Stadion, das nach wie vor nur 400 Personen fasste erwies sich in finanzieller Hinsicht aber ebenso als Stolperstein, wie die Tatsache, dass der komplette Inhalt des an sich gut gefüllten Vereinskontos aufgrund eines Fehlers in der Menülogik für acht Jahre bei der Bank zur Verzinsung deponsiert wurde. Weswegen das Club-Experiment trotz hektischer Spielerveräußerungen vor Saisonstart im Winter schon wieder am Ende angelangt war. Ebenso unglücklich, dass das Angebot, künftig einen Ligakonkurrenten zu managen, ausgeschlagen wurde.

Ewiger Fußballtraum

Wer sich geschickter anstellt, kann im Kleinen trotzdem seinen Fußballtraum leben, den Verein langsam zur Großmacht aufbauen, in die Bundesliga führen und schließlich internationale Bewerbe bestreiten. Besonders erfolgreiche Coaches dürfen sogar das deutsche Nationalteam betreuen. Andere Nationen und deren Klubs dienen ausschließlich als Gegnermaterial für internationale Herausforderungen. Der Umfang von "Torchance 2015" ist, wie betont, ein kleiner.

Fazit

Und das passt im Großen und Ganzen auch. Für das derzeit Gebotene erscheint der Verkaufspreis von 30 Euro jedoch zu teuer, zumal es etwa mit "Anpfiff" einen kostenlosen Fußballmanager sowie deutlich niedrigpreisigere mobile Alternativen mit vergleichbarem Umfang gibt.

Da an "Torchance" aber unter Communitybeteiligung aktiv weiterentwickelt wird, können Fußballfreunde, die auf der Suche nach etwas Kurzweil sind, den Kauf gemäß des Spielprinzips als "langfristige Investition" in das Projekt betrachten. Wer das Risiko nicht eingehen will, muss wohl vorerst auf die genannten Alternativen oder das mittlerweile 14 Jahre alte "Anstoss 3" zurück greifen. (Georg Pichler, derStandard.at, 04.12.2014)

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