Unter Korner hat Braunschweig dreimal gewonnen und siebenmal verloren. Das ergibt unter 18 Teams den 15. Rang.

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Braunschweig/Wien - "Die größte Beleidigung wäre, wenn mich jemand einen Durchschnittsmenschen nennt." Diese Gefahr allerdings droht Raoul Korner erst gar nicht. Der 40-jährige Wiener sitzt bereits die zweite Saison auf einer Trainerbank in der deutschen Basketball-Bundesliga (BBL). In Braunschweig gibt Korner, wenn man so will, ein Äquivalent zu einem senegalesischen Skitrainer.

Braunschweig ist weit davon entfernt, um den Meistertitel mitzuspielen, die Niedersachsen sind aber auch nicht in akuter Abstiegsgefahr. "Die Leistungsdichte in der BBL ist höher als in jeder anderen Liga Europas. In Spanien oder Russland sind die vier Topteams besser, aber danach gibt es ein starkes Gefälle. In Deutschland hast du 18 Teams, die jeden Abend gewinnen oder verlieren können", sagt Korner.

Braunschweig hält bei drei Siegen und sieben Niederlagen, das bedeutet Platz 15 in der Tabelle, die sich schnell wieder verändern kann. Das Ziel: Konsolidieren im Mittelfeld. Korner genießt derart großes Vertrauen vom Verein, dass er auch zum Sportdirektor gemacht wurde. Der Kader hat laut Korner Qualität, ist ein Mix aus jungen Spielern mit Perspektiven und sechs US-Legionären, die ligazulässige Höchstzahl. Neueinkäufe soll es möglichst nicht mehr geben. "Für einen oder zwei Siege mehr werde ich den Verein sicher nicht in Unkosten stürzen, nur damit wir dann vielleicht an elfter statt vierzehnter Stelle laden. Das Geld stecke ich lieber in unseren Nachwuchs."

Jung, flexibel und erfolgreich

Raoul Korner trägt prinzipiell Anzug und Krawatte - und einen Kurzhaarschnitt. Als Spieler nicht überdurchschnittlich talentiert, begann er schon früh zu coachen. Mit 25 Jahren avancierte er bei WAT Wieden in der österreichischen Bundesliga zum damals jüngsten Erstliga-Trainer in Europa. Sein Jus-Studium hatte er schon zuvor binnen vier Jahren abgeschlossen, mitsamt Immobilien-Treuhänder-Konzession. Seine Verträge konnte er sich zu Beginn seiner Karriere selbst aushandeln. Unter seinem Wert verkaufte er sich nie. Motto: "If you pay shit, you get shit".

Nach Meister- und Cup-Ehren (Wels, Mattersburg) wechselte er 2010 in die Niederlande, wo er mit 's-Hertogenbosch seine Titelsammlung mit ersten internationalen Trophäen (wieder Liga und Cup) erweitern sollte, außerdem wurde er zum Coach of the Year gewählt). Zum Vergleich: Auch im Fußball schwingt derzeit nur ein Österreicher in einer ersten Liga im Ausland das Trainerzepter, Peter Stöger (Köln).

Ohne Perfektionismus geht im Profizirkus nichts mehr. Korner hält Trainermeetings ab, analysiert Matches auf Video, scoutet Spieler. Der Verein ist gut organisiert, einen Betreuerstab wie bei einem Top-Fußballklub hat er aber natürlich nicht. "Du sitzt ständig auf gepackten Koffern. Ich bin nicht verheiratet, und das Privatleben ist auch sehr eingeschränkt." Korners Vertrag läuft noch bis Saisonende, mit Option auf ein weiteres Jahr.

Straßenbahn ja, Sekt nein

Die Stadt Braunschweig zählt 250.000 Einwohner, die Spiele wollen im Schnitt 3000 Leute sehen. Es fährt sogar eine Straßenbahn mit den Konterfeis der Spieler und Trainer durch die Stadt. Korner pendelt zwischen Basketballhalle, Büro und Bett und will die Stadt auf dem Boden halten. "Wir dürfen nicht die Sektkorken knallen lassen, wenn es einmal rennt, und auch nicht alles verteufeln, wenn wir verlieren."

Die BBL hat eine "Vision 2020", bis dahin will sie die stärkste Liga Europas sein. Noch ist Deutschland ein Schwellenland des Basketballs, ein Sieg in der Euroleague, dem höchsten europäischen Wettbewerb, ist außer Sicht, selbst eine Finalteilnahme unwahrscheinlich. Die Liga hat höhere Standards durchgesetzt, Mindestbudgets von einer Million Euro pro Jahr eingeführt und größere Hallen für mindestens 3000 Zuschauer bauen lassen. Die BBL ist auch die Benchmark für die österreichische Liga, zumindest in organisatorischen Belangen.

Für Raoul Korner ist die Saison noch lang. "Ein Überlebenskampf über 34 Runden. Wir müssen bereit sein." Ob ein anderer österreichischer Trainer seinem Beispiel folgen könnte? "Warum nicht? Man muss halt seine Komfortzone verlassen und das mit voller Konsequenz durchziehen. Oder man lässt es bleiben." Und genau darin liegt er wohl, der Unterschied zwischen Durchschnitt und Nichtdurchschnitt. (Florian Vetter, DER STANDARD, 28.11.2014)