Sie darf Putin ganz tief in die Augen schauen. Auf dem Wahlplakat der sozialistischen Partei in Moldau zeigt die ehemalige Regierungschefin Zinaida Greceanîi mehr als deutlich, wie gut sie sich mit dem russischen Präsidenten versteht. "Es ist besser im Wohlstand neben Russland zu leben, als im Mangel als Arme und Schuldner Europas", lautet der Wahlslogan der Partei. Die Liberaldemokratische Partei (PLDM) wiederum wirbt mit einer EU-Flagge und dem Motto: "Vor einer europäischen Zukunft!" Moldau hat wieder einmal einen West-Ost-Wahlkampf und angesichts des Kriegs in der Ukraine ist der Urnengang in dem kleinen osteuropäischen Land sowohl für Russland als auch für die EU sehr wichtig.

Von einer Pattstellung zwischen "prorussischen" und "proeuropäischen" Wahlblöcken vor der Parlamentswahl kommenden Sonntag kann allerdings nicht die Rede sein. Denn es ist praktisch ausgeschlossen, dass die Kommunisten mit den beiden prorussischen Parteien - den Sozialisten und der Partei Patria, falls diese überhaupt antreten dürfen - eine Koalition bilden. Abgesehen davon sind die Kommunisten nicht explizit als prorussisch anzusehen, sie lehnen die Annäherung an die EU nicht ab. Wenn die sogenannten proeuropäischen Parteien keine Mehrheit bekommen, dann könnten die Kommunisten also in die Joker-Position kommen. Offiziell betont die PLDM, die die letzte Regierung anführte, dass sie nicht mit den Kommunisten zusammenarbeiten wolle, aber es kann auch sein, dass ihr gar nichts anderes überbleibt. Regierungssprecher Vladislav Kulminski lässt offen, ob es zu einer Koalition mit den Kommunisten kommen könne. "Die müssen ihre eigenen Schlüsse ziehen, was die richtige Wahl ist", sagt er zum Standard.

Kommunisten bei 20 Prozent

Laut dem IMAS-Institut liegt die PLDM bei 17 Prozent, die Demokraten bei 13 Prozent und die Liberalen bei acht. Weil aber angenommen wird, dass etwa 35 Prozent der Stimmen nach der Wahl neu auf Mandate aufgeteilt werden müssen (weil sie zu Parteien gehen, die nicht ins Parlament gelangen), könnte der sogenannte proeuropäische Block bis zu 60 Prozent der Stimmen bekommen. Knapper wird es sicher, wenn die Sozialisten ins Parlament einziehen, denn dann werden weniger Mandate auf die anderen verteilt. Die Kommunisten liegen laut der Imas-Umfrage bei 20 Prozent, die Partei Patria bei acht Prozent.

Die Regierungsbildung hängt aber auch von der Einigung unter den Oligarchen ab, die versuchen ihre Geschäftsinteressen über die Parteien durchzusetzen. Einer von ihnen ist Vladimir Plahotniuc, dessen Vermögen auf 300 Millionen Dollar geschätzt wird. Er hat sein Geld im Ölgeschäft als Generalmanager der Petrom Moldova und als Vorsitzender der zweitgrößten Bank, der Victoriabank gemacht. Abgesehen davon, dass er sich mittlerweile über seine Edelweiss-Stiftung als mildtätiger Wohltäter für Waisen darzustellen versucht, ist er seit 2010 als Führungsfigur für die Demokraten in der Politik. Interne Machtkämpfe unter den "Proeuropäern"

Die letzte Regierungsperiode der Allianz für Europäische Integration (Liberaldemokraten, Demokraten und Liberale) war von internen Machtkämpfen, Misstrauensvoten und vergeblichen Versuchen einen Präsidenten zu wählen gekennzeichnet. Es ging auch um rivalisierende Geschäftsinteressen, insbesondere zwischen Plahotniuc und dem Chef der Liberaldemokraten Vlad Filat. Die internen Kämpfe führten dazu, dass die Reformen kaum weitergingen, vor allem jene im Justizbereich. Zudem wurde Plahotniucs Demokraten Einflussnahme in der Anti-Korruptionsbehörde vorgeworfen, die er dazu missbraucht haben soll, seine Geschäfts-Gegner zu schwächen. Filat wiederum wurde nachgesagt, er versuchte die Zölle zu kontrollieren.

Filat ist auch wegen einiger Korruptionsvorwürfe umstritten. Er musste 2012 nach einem Misstrauensantrag den Sessel als Premierminister räumen. Seit damals macht der professionell agierende Iure Leanca den Job. Doch Filat ist weiterhin Parteivorsitzender, weil er die Partei finanziert. Wenn die Kommunisten zum entscheidenden Faktor werden, werden sie wohl darauf pochen, dass Filats Einfluss eingedämmt wird.

"Mafia mithilfe der Mafia entfernen"

"Die Regierungsparteien haben eine Art Mafia gebildet, die das Land regiert. Aber wir sollten jetzt diese Mafia aus dem Justizsystem entfernen. Das muss unabhängig werden. Es kann nicht sein, dass der Chefankläger einer Partei gehorcht", sagt etwa Mihail Barbulat, ein hochrangiges Mitglied der Kommunisten zum Standard. "Wie kann die EU die Mafia mithilfe der Mafia entfernen?", fragt er. Barbulat schließt aus, dass man mit den "Gangstern" eine Regierung bilden werde, über Leanca aber zieht er nicht her. Dafür schließt er eine Zusammenarbeit mit den Sozialisten aus: "Wir können keine Koalition mit den Verrätern machen, die uns verlassen haben." Abgesehen davon wolle man keine Koalition, bloss um einige Ministerien zu kontrollieren. "Wir brauchen eine Plattform", so Barbulat. Das klingt danach, als wären die Kommunisten bereit, zumindest Mehrheiten zu beschaffen, falls es eng wird. Barbulat betont, dass die Partei eine "Modernisierungsagenda" habe.

Auch die EU hat im Blick, dass es möglicherweise ohne Kommunisten nicht gehen wird und versucht mit Kommunistenchef Vladimir Voronin gutes Verhältnis zu schaffen. Die kommunistische Partei hat ihr Klientel vor allem unter Pensionisten und am Land.

"Weße Weste" für Russland

Für die sozialistische Partei, die sich aus Abtrünnigen der Kommunistischen Partei formiert hat, ist es noch nicht klar, ob sie den Einzug ins Parlament überhaupt schaffen wird. Sie verspricht höhere Pensionen und Gehälter und wirbt damit, dass jene Moldauer, die auf einer Schwarzen Liste stehen, weil ihr Arbeitsberechtigung in Russland ausgelaufen ist, wieder eine "weiße Weste" bekommen könnten, wenn sie nur zu den Wahlen nach Moldau fahren würden - und selbstverständlich die "richtige" Partei ankreuzten. Dann würde Russland sie wieder legalisieren.

2015 EU-Kandidatenstatus

Auf der anderen Seite des geopolitischen Spektrums stehen die Liberalen, die sich sogar für einen Zusammenschluss mit Rumänien und den Nato-Beitritt einsetzen. Diese rumänischen Nationalisten repräsentieren aber nur einen sehr kleinen Teil der Gesellschaft.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Grabenkämpfe, die sich in der vergangenen Amtsperiode unter den "proeuropäischen Parteien" zeigten, beendet sind. Die zweite große Herausforderung wird für die Regierung sein, die Reformagenda, die im EU-Vertrag festgelegt ist, der seit September in Kraft ist, umzusetzen, insbesondere jene im Justizbereich. "80 Prozent der Beschwerden, die wir bekommen, drehen sich um das Justizsystem", sagt die Vizepräsidentin der Liberaldemokraten Liliana Palihovic. Die Liberaldemokraten wollen jedenfalls, wenn sie an der Macht bleiben, 2015 bei der EU um den Kandidatenstatus ansuchen. Man hofft, dass man 2017 das EU-Abkommen implementiert hat. Ziel ist es 2020 bereit zu sein, der EU beizutreten.

Wahltechnisches

Das moldauische Parlament hat 101 Sitze. Auch im Ausland kann gewählt werden, schließlich leben etwa 600.000 Moldauer in der EU, in Russland leben weitere 260.000 moldauische Gastarbeiter. Allerdings wurden in Russland nur fünf Wahllokale für diese Arbeitsmigranten errichtet, in Italien allerdings 15. Manche sehen darin ein Instrument die Wahlmöglichkeiten prorussischer Moldauer klein zuhalten. Die Regierung betont, dass sich die Anzahl der Wahllokale nach der Zahl der Auslandsmoldauer richte und dass diese in Russland geballt in Moskau leben würden.

In Moldau werden sowohl Experten der OSZE und westlicher Botschaften die Wahlen beobachten, als auch solche aus Russland. Zum ersten Mal gibt es in Moldau auch ein elektronisches Wahlregister, durch das eine doppelte Stimmabgabe unmöglich gemacht werden soll. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 28.11.2014)