Die Expertenrunde (von links: Marcus Aschauer, Ralf Bernhart und Henrik Herr) diskutierte über Finanzierungen in Österreich und die Standortpolitik.

Foto: Regine Hendrich

Corporate Advisory Credit Suisse, Marcus Aschauer: "Schwierig wird es bei Unternehmen mit schlechter Bonität."

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Vorsitzender der Head NV, Ralf Bernhart: "Früher war der Banker ein Partner, dem man vertraut hat."

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Credit-Suisse-Chef Henrik Herr: "3600 Fintechs forschen daran, unsere Industrie zu revolutionieren."

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Henrik Herr und Marcus Aschauer von der Credit Suisse sowie Head-Chef Ralf Bernhart über Standortpolitik.

STANDARD: Kredite und Banken sind ein heikles Thema. Wie beurteilen Sie die Kreditlandschaft in Österreich? Gibt es die Kreditklemme?

Henrik Herr: Man muss immer die Gesamtsituation anschauen, und hier verändert sich derzeit einiges. Der Druck auf Banken und ihr Geschäftsmodell steigt. Anbieter, die uns heute als Google und Facebook bekannt sind, werden uns morgen als Konkurrenz gegenüberstehen, unser Geschäftsgebaren hinterfragen und die Disintermediation des Kreditgeschäfts infrage stellen. Zudem gibt es derzeit rund 3600 Fintechs im Silicon Valley, in London oder Berlin, die daran forschen, unsere Industrie zu revolutionieren.

STANDARD: Wie sieht der Unternehmer in dieser Runde die aktuelle Kreditsituation?

Ralf Bernhart: Es wird immer davon gesprochen, dass die Banken so viel Geld haben und dieses gerne hergeben wollen. Für Kunden schaut das anders aus. Mein Gefühl ist, dass die Bedingungen durch Basel III und andere Richtlinien so geworden sind, dass ich gar nicht mehr an Geld rankomme. Früher war es so, dass einen Teil des Risikos bei der Entwicklung eines Unternehmens, einer Wirtschaft oder eines Landes die Bank übernommen hat, durch die Kredite, die vergeben wurden. Das wird heute nicht mehr übernommen, weil Banken nur mehr hundert Prozent sichere Geschäfte machen. Woher sollen da Wachstum und Entwicklung kommen? Nur über Equity-Finanzierungen oder über Fonds, und das ist in Europa halt erst ein kleines Feld - etwa im Vergleich zu den USA. Da muss noch einiges passieren, sonst kann sich die Wirtschaft nicht mehr entwickeln.

Marcus Aschauer: Die guten heimischen Familienunternehmen haben es relativ einfach, von der Bank einen Kredit zu bekommen. Die profitieren von den niedrigen Leitzinssätzen und davon, dass die Bank gern sichere Geschäfte machen möchte. Schwierig wird es bei Unternehmen mit schlechterer Bonität. Da geht die Schere wirklich auseinander. Die guten Unternehmen haben vor Basel III die schlechten Unternehmen subventioniert - das gibt es jetzt nicht mehr, und dementsprechend versucht die Bank, die Risikokosten individueller zu rechnen, und damit steigen diese für Unternehmen mit geringerer Bonität.

STANDARD: Welche Alternative gibt es hier?

Aschauer: In den USA wird das mit anderen Formen der Finanzierung ausgeglichen. In Europa und im deutschsprachigen Raum kann man diesen Kreislauf noch nicht so gut schließen. Die österreichischen Unternehmen haben eine Eigenkapitalquote von 29 Prozent, die Klein- und Mittelbetriebe von 32 Prozent - laut KMU-Forschung Austria. In Amerika haben die Unternehmen eine Eigenkapitalquote von 75 Prozent, auch weil sie stärker vom Kapitalmarkt finanziert sind.

STANDARD: Den Kapitalmarkt gibt es bei uns aber auch ...

Aschauer: Der Kapitalmarkt wird wieder ein zunehmend wichtiger Faktor. Das Neuemissionsvolumen durch Börsengänge hat sich heuer in Europa verdreifacht und das Volumen von Nordamerika damit übertroffen. Es hat heuer bis zum Ende des dritten Quartals ca. 250 Neuemissionen in Europa gegeben, mit einem Volumen von 67 Milliarden US-Dollar. 20 Milliarden waren es im Vorjahresvergleich. Investoren haben die Börsengänge in Europa genutzt, um attraktive Renditen zu erwirtschaften.

STANDARD: Wo wende ich mich als Unternehmen hin, wenn ich eine Finanzierung brauche?

Aschauer: Man muss das differenziert sehen, je nach Lebenszyklus des Unternehmens und je nach Größe des Unternehmens gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wenn ich mein Kapital nicht mehr über Banken decken kann, kann in einem etablierten Status auch Private Equity eine Alternative sein. Zusätzlich sehen wir, dass vermögende Privatinvestoren oder Familyoffices weltweit in Direktbeteiligungen investieren. Das wird ein immer größeres Thema. Bei Fremdkapital werden derzeit oft Schuldscheindarlehen als Alternative zum Bankenkredit begeben, weil hier institutionelle Investoren das Interesse haben, langfristig Kapital anzulegen. Mittlerweile nutzen auch KMUs diese Möglichkeit.

STANDARD: Die Forderung, dass reiche Private statt der Banken investieren sollen, hört man nun ja öfter. Ist es ein neuer Trend, dass das nun auch umgesetzt wird?

Herr: In mehr als 20 Jahren Private Banking sehe ich, dass es auch für vermögende Kunden nicht einfach ist, das, was die vorherigen Generationen geschaffen haben, zu bewahren. Diese Leute haben auch eine klare Vorstellung, wem sie ihr Geld anvertrauen. So können zwei Bedürfnisse gestillt werden, und wir als Privatbank können hier gut Mediator spielen. Da können Banken sich in Zukunft auch noch besser positionieren.

STANDARD: Sind Unternehmensbeteiligungen innerhalb der Vermögensverwaltung aktuell ein stärkerer Trend?

Herr: Es nimmt weiter zu, ist aber nicht komplett neu. Die Schwierigkeit ist immer die Frage, wie man die richtigen Projekte bekommt. Jeder reiche Private hat ein kleines Netzwerk, aber man braucht in diesem Bereich Partner, die mehr sehen. Damit erspart man sich persönlich viele Extra-Runden. Wir können auch internationale Investoren hierher vernetzen. Wir haben im Corporate Private Banking ein großes Netzwerk, auf das wir zurückgreifen können.

STANDARD: Neben Bank und Börse schwirren Begriffe wie Venture Capital, Crowdfunding etc. herum. Sind die gewachsenen Möglichkeiten für eine Finanzierung eine Hilfe oder eine Hürde?

Bernhart: Prinzipiell ist es eine Hilfe, wenn ich eine größere Auswahl habe. Da brauche ich aber auch die Unterstützung von Leuten, die mir sagen, wohin ich mich wenden soll und welche Art der Finanzierung zu einem bestimmten Vorhaben passt. Wir haben nur Anleihen und Finanzierungen von Banken. Der Börsengang war für uns aber ein Weg, Eigenkapital zu generieren.

STANDARD: Wäre es für Sie denkbar, ein Projekt über Crowdfunding zu finanzieren?

Bernhart: Nein, das glaube ich nicht.

Aschauer: Crowdfunding ist derzeit ein großes Thema, viele kleine Unternehmen denken das als Alternative an. Im Vergleich etwa zum Kapitalmarkt ist Crowdfunding jedoch noch ein stark unregulierter Markt. Damit es für eine breite Schicht an Investoren attraktiv wird, müsste man sicher noch an den Rahmenbedingungen arbeiten.

Herr: Abseits vom Crowdfunding muss man auch sehen, wie attraktiv die Unternehmen im internationalen Vergleich sind. Das Interesse, sich in Österreich zu beteiligen, kommt aus der ganzen Welt. Wir haben Familien aus Asien, dem Mittleren Osten oder Lateinamerika, die Interesse haben, sich in Österreich nennenswert zu beteiligen. Da haben der Finanzplatz und die Unternehmen einen wirklich guten Ruf.

STANDARD: Was reizt Familien aus Asien oder Lateinamerika an heimischen Unternehmen?

Herr: Innerhalb von zehn, fünfzehn, 20 Jahren sind dort Unternehmen und Familien entstanden, die reich geworden sind. Aber auch die wissen über die Risiken in ihren politischen und finanziellen Systemen Bescheid und suchen andere Märkte, um ihr Geld anzulegen. Die österreichischen Unternehmen werden geschätzt für ihre Internationalität und ihre Qualität.

STANDARD: Die heimischen Unternehmen sehen das offenbar nicht immer so. Heuer hatten wir mehrmals die Debatte über den Standort, weil Unternehmen wie die Voestalpine, die Erste Bank oder die Raiffeisen Landesbank Oberösterreich gedroht haben, sich einen anderen Standort zu suchen ...

Bernhart: Als Produktionsstandort ist es in Österreich von der Kostenseite nicht ideal. Wir produzieren in Österreich nur noch wenig, vieles in Tschechien und auch in China. Der Markt in Österreich ist klein, man muss international aktiv sein. Das Headquarter hier zu haben, ist aber ein Vorteil. Die Qualität der Mitarbeiter und die gesetzlichen Regelungen - für diesen Know-how-Teil ist Österreich ein guter Standort. Auch die Einbettung in die EU schafft klare Regeln. Bei der Abwanderungsdebatte geht es ja immer um ganz konkrete Dinge. Wenn ich als Bank in einem anderen Land keine oder eine geringere Bankensteuer zahlen muss, kann das ein Anreiz sein.

Aschauer: Österreich bietet grundsätzlich gute Rahmenbedingungen, um als Unternehmen erfolgreich zu sein. Erfolgreiche Familienunternehmen gibt es von Vorarlberg bis ins Burgenland. Freilich gibt es noch Optimierungsmöglichkeiten, an denen wird man in der Politik in den nächsten Jahren hoffentlich weiter arbeiten.

STANDARD: Das klingt jetzt alles sehr rosig. Aber die hohen Produktionskosten sind ein Hindernis, die Steuerlast wird auch oft erwähnt, die Energiekosten sind hoch ... Wo sind die Schrauben, an denen man hierzulande drehen müsste?

Bernhart: Die internationale Steuereinbindung sollte hierzulande nicht verschlechtert werden. Dass die Sozialkosten hoch sind und die Verwaltung viel kostet, ist ein Problem. Hier muss man sich fragen, bis wann man sich das leisten kann. Jeder Unternehmer muss seine Kosten reduzieren, nur der Staat baut sie aus.

Herr: Aus der Sicht des Private Corporate Banking war Österreich in den vergangenen fünf, sechs Jahren innerhalb von Westeuropa immer eines der erfolgreichsten Länder. Das liegt auch daran, welche Mitarbeiter und welches Know-how vor Ort ist. Wie schaffe ich es, aus meinen Strukturen Nutzen zu ziehen? Ein Selbstläufer ist das aber nicht. Habe ich das Gefühl, dass ich für diesen Bereich sagen kann, dass es Strategien gibt, wo Unternehmen in zwei, fünf, zehn Jahren stehen wollen? Auf diese Frage ist die Antwort nein. Da sind andere Finanzplätze weiter in ihrer Entwicklung. Da sind wir schon noch in einer Komfortzone.

STANDARD: Stichwort Finanztechnologien: Google will ja in die Vermögensverwaltung. Sehen Sie darin eine Konkurrenz für Privatbanken? Zum Ausprobieren hat Google zumindest ja mal genug Spielkapital ...

Herr: Solche Unternehmen haben beides: Kundendaten und viel Kapital. Ich bin sicher, dass diese Unternehmen auch unser Geschäft neu formieren werden. Das Geschäftsfeld wird sich für uns sicher verändern. Auch wenn mit Apple und Google schon viel Veränderung passiert ist - ich glaube, das ist erst der Anfang. Die Frage ist, ob Banking für die Unternehmen Google, Facebook oder Apple ein Thema werden wird. Wenn das kommt, haben wir ganz neue Player am Markt. Von den rund 3600 Fin-Tech-Unternehmen werden es 3550 wohl nicht schaffen. 50 haben vielleicht eine spannende Idee, aber fünf oder zehn Firmen können die Industrie revolutionieren. Als Bank-Industrie müssen wir uns diesen Trends stellen und fragen, welchen Nutzen man für den Kunden noch zur Verfügung stellen kann. Die spannende Frage ist dann, wie Unternehmen diese Neuerungen integrieren können.

STANDARD: Wie sieht die Bank der Zukunft aus - und was heißt das für die Unternehmenslandschaft?

Herr: Es braucht Spezialisierungen, wie bei uns auf den Bereich Corporate Private Banking. Dadurch kann ein verbesserter Nutzen für Unternehmen wie auch Privatkunden erreicht werden, zum Beispiel durch optimierte Vernetzungen.

Bernhart: Früher war der Banker ein Freund. Ein Partner, dem man vertraut hat. Der hat mich beurteilt und Risiko genommen oder auch nicht genommen. Durch jede Regulation wird dieses Geschäft normalisiert, und es wird immer mehr möglich, dass das alles eine Maschine macht. Der Banker muss heute nur noch die Risikokennzahlen einordnen. Die Gefahr dabei ist, dass die Menschen in dem System abhanden kommen. Aber es gibt Menschen, und es wird sicher wieder eine andere Welle geben. Man muss Corporate und Private wieder näher zusammenbringen. Im Moment driftet das auseinander.

Aschauer: Es gibt viele Trends, die man als Unternehmer jetzt für sich nutzen kann. Andere Möglichkeiten der Finanzierung haben sich entwickelt. Diese Chancen muss man nutzen. (Bettina Pfluger, Portfolio, DER STANDARD, Dezember 2014)