STANDARD: Die Kongresswahlen in den USA waren eine schallende Ohrfeige für die Demokraten. Hat der Sieg der Republikaner Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft?

Faber: Nein, das Ergebnis hat praktisch keinen Einfluss auf die Wirtschaft. Möglicherweise freut sich die Börse kurze Zeit - mittelfristige oder sogar langfristige Auswirkungen werden wir aber nicht sehen.

STANDARD: Auch keine Auswirkungen auf die US-Gesundheitsreform? Erste Republikaner verlangen bereits die Abschaffung von "Obamacare"...

Faber: ... Ich denke, dass die Republikaner insgesamt und die Pharmaindustrie gar nicht so gegen die Gesundheitsreform sind, wie das häufig und gern kolportiert wird. Immerhin verdienen sie Geld damit. Klar ist aber auch, dass "Obamacare" für kleine Geschäftsleute und den Arbeitsmarkt nicht besonders gut ist, erhöht es doch die Kosten der Arbeitgeber. Darin begründet sich auch, dass viele Leute gar nicht mehr oder nur noch auf Basis von Teilzeit eingestellt werden.

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STANDARD: Sie gehen so weit und bezeichnen die US-Gesundheitsreform als Katastrophe. Wirft das nicht auch Fragezeichen auf andere westliche Demokratien?

Faber: Für Sie ist Obama wohl der schönste und beste Präsident aller Zeiten. Schreiben Sie das ruhig. Für die Sozialisten kann es ja gar nicht genug Eingriffe in die Wirtschaft geben. In ihrem Denken ist Obama ach so wunderbar - doch es gibt nicht viele Leute, die diese Ansicht teilen. Sein Beliebtheitsgrad ist mittlerweile sehr gering.

STANDARD: Das war nicht die Frage. Aber reden wir über die Wahlkampffinanzierung: Koch Industries, die zweitgrößte, nicht börsennotierte Gesellschaft in den Vereinigten Staaten, mit zweifelhaftem Ruf wegen Schmiergeldzahlungen an diverse Lobbyisten und Verdacht auf politische Einflussnahme, soll die Republikaner einmal mehr tatkräftig unterstützt haben.

Faber: Möglicherweise hatten die Koch-Brüder einen gewissen, aber sicher keinen großen Einfluss. Nur: Was soll daran neu sein, dass Geld in den USA Einfluss auf die Wahlen hat? Die Demokraten haben auch sehr viel Geld für diese Wahlen aufgewendet. Aber das ist nicht der Punkt. Wichtig ist das Ergebnis, und das zeigt, dass das amerikanische Volk von Obamas Politik in jeder Beziehung sehr enttäuscht ist.

STANDARD: Obwohl beispielsweise die Arbeitslosigkeit so gering ist wie seit sechs Jahren nicht mehr?

Faber: Und wer bitte schön publiziert diese Statistiken? Doch niemand anderes als die Regierung. Die offiziellen Zahlen der Arbeitslosigkeit sind kein Kriterium, denn in Wahrheit liegt die Erwerbsquote auf einem Mehrjahrestief. Es ist ein Unterschied, ob 1000 Leute mit einem hohen Lohn angestellt werden oder 1100 mit einem ganz niedrigen Lohn. Theoretisch ist somit die Arbeitslosenquote gefallen, aber nicht nur die, sondern auch die Qualität der Arbeit und die der Löhne. Es steht außerhalb jeder Diskussion, dass die mittleren Einkommen in den Vereinigten Staaten seit dem Jahr 2000 zurückgegangen sind und heute nicht höher liegen als im Jahr 1989.

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STANDARD: Und wie wird sich die Wirtschaft unter diesem Gesichtspunkt entwickeln?

Faber: Die festverzinslichen Papiermärkte für Staatsanleihen haben heutzutage extrem tiefe Zinsen. In Frankreich liegen die zehnjährigen Staatsanleihen beispielsweise bei nur noch 1,21 Prozent, in Deutschland bei weniger als 0,9 Prozent, in der Schweiz bei 0,43 Prozent, in Amerika immerhin bei 2,35 Prozent. Ein Indiz, dass die Obligationenmärkte nicht damit rechnen, dass sich die Weltwirtschaft verbessert. Im Gegenteil: Sie sind ein Hinweis, dass sich die Weltwirtschaft noch verschlechtert. Aus diesem Grund können die Zinsen noch für Jahre auf einem tiefen Niveau bleiben. Schauen Sie nur nach Japan: Die Zinsen sind seit zehn Jahren unter einem Prozent.

STANDARD: Heißt das, Sie sehen auch in nächster Zeit keinen Zinsanstieg?

Faber: Eines Tages werden die Zinsen weltweit ansteigen. Wir wissen nur nicht genau wann. Ich persönlich halte immer noch amerikanische Staatsanleihen. Diese habe ich vor einem Jahr bei einem Zins von drei Prozent gekauft - erst sind sie ziemlich gestiegen, in der Zwischenzeit aber wieder gefallen. Sicherlich sind diese Anleihen nicht das, was man als gute Anlage bezeichnet. Im Vergleich zu französischen oder japanischen Staatsanleihen ist der Zins aber noch relativ attraktiv.

STANDARD: Schauen wir nach Europa. Was halten Sie von der Gelddruckerei der Europäischen Zentralbank?

Faber: Ich halte prinzipiell gar nichts von irgendeiner wie immer gearteten Gelddruckerei - ob das nun die EZB ist, die US-Notenbank Federal Reserve oder die Bank of Japan. Es ist ein Mythos, dass man durch Interventionen mit finanz- und geldpolitischen Mitteln die Wirtschaft ankurbeln kann. Die Niedrigzinsen der Notenbanken schaden mehr als sie nutzen.

STANDARD: Was wäre dann die geeignete Medizin?

Faber: Zum einen gehören die Sozialisten beseitigt. Zum anderen muss der Staatsapparat verringert, Regularien und Schulden müssen abgebaut werden. Mit anderen Worten: In den meisten Ländern Europas betragen die Staatsausgaben heutzutage 50 oder mehr Prozent des Bruttosozialprodukts. Würde man diese auf 20 Prozent reduzieren, würde es auch der Wirtschaft besser gehen.

STANDARD: Eine Idee, wie das gehen soll?

Faber: Eben gar nicht. Da diese Länder den Sozialismus so lieben, müssen sie sich damit abfinden, dass die Wirtschaft nicht wachsen kann. Der Extremfall von Sozialismus ist die Planwirtschaft unter dem Kommunismus. Alle Entscheidungen liegen beim Staat. Wir haben gesehen, welche Katastrophe das für das Wirtschaftswachstum und den Lebensstandard in Osteuropa, Russland oder China war. Die westliche Welt denkt ebenso, dass Papa Staat alles zahlen soll. Doch jemand muss dafür die Rechnung begleichen.

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STANDARD: Wenn Sie so pessimistisch sind, droht den Finanzmärkten also eine neue Blase?

Faber: Das muss man differenziert sehen. Bestimmte Finanzmärkte wie beispielsweise die russische, irakische oder chinesische Börse sind sehr hoch bewertet. Auch die Vereinigten Staaten gehören dazu. Fakt ist, dass der Schuldenberg des Weltbruttosozialprodukts um 30 Prozent höher liegt als noch im Jahr 2007. Je höher die Schulden von Staaten, desto geringer das Wirtschaftswachstum, und desto verletzlicher werden sie in Bezug auf die Finanzmärkte. Dazu kommt, dass die Derivativprodukte im Vergleich zu 2007 ebenfalls gestiegen sind. Und welche Rolle diese in der Krise spielten, hat die Geschichte gezeigt. (Zu den Derivateprodukten gehören auch die sogenannten Kreditausfallversicherungen, die Star- Investor Warren Buffett einst als "Massenvernichtungswaffen" bezeichnete, Anm.)

STANDARD: Die Zinsen sind auf Rekordtiefstand, was raten Sie Anlegern?

Faber: Der Anleger von heute ist in einer dummen Lage. Wenn er heute seine Ersparnisse zur Bank bringt, bekommt er nichts dafür. Das ist eine indirekte Expropriation. Eingeleitet wurde diese Enteignung von den sozialistischen Interventionisten. Paradoxerweise beklagen sich heute genau diese Leute, dass die Zinsen tief sind und sich mit dem Sparbuch kein Geld verdienen lässt. Grundsätzlich würde ich raten, das Vermögen zu streuen: in Immobilien, Aktien, Obligationen, Rohstoffe und Edelmetalle. Auch Aktien in Schwellenländern bieten noch gewisse Möglichkeiten, weil sie im Vergleich zu den USA immer noch tiefer bewertet sind.

STANDARD: Wo sehen Sie den Ölpreis?

Faber: Ich nehme an, er kann noch etwas fallen. Langfristig sehe ich die Ölpreise aber eher höher, als sie es heute sind. Im Jahr 2008 ist der Preis auf 32 Dollar je Fass gefallen und hat sich danach wieder erholt.

STANDARD: Noch eine persönliche Frage: Wladimir Putin nennen Sie einen "der wenigen intelligenten Politiker". Was macht denn seine Intelligenz aus?

Faber: Putin hat mit seiner Politik grundsätzlich nichts Falsches getan. Er wurde unter dem Einfluss der amerikanischen Neokonservativen angegriffen. Diese stellten für sich eine Doktrin auf, wonach Russland auf keinen Fall, nämlich auf ja keinen Fall, eine Macht sein dürfe. Damit rechtfertigte man die Einmischung zuerst in Georgien, dann in Libyen und nun in der Ukraine. Putin musste reagieren. Stellen Sie sich vor, die Russen oder die Chinesen würden versuchen, Kanada, Mexiko oder die Karibik politisch auf ihre Seite zu bringen. Die Vereinigten Staaten würden auch nicht tatenlos zusehen. Was erwarten denn die Politiker? Dass Putin nur dasitzt und nichts macht? Und genau, weil er einer der wenigen intelligenten Politiker ist, hassen ihn viele Medien und Politiker. (Sigrid Schamall, DER STANDARD, aus dem Portfolio 2014)