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Mütter, und solche die es gerade werden, stehen unter einem enorm hohen Druck alles richtig zu machen - nicht nur aus dem eigenen Wunsch heraus.

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Gerald Gartlehner, EbM-Experte von der Donau-Uni Krems: Nicht alles, was Müttern nahegelegt wird, ist nachweislich das Beste.

Foto: georg h. jeitler / donau-universität krems

Eine Geburt ist ein schmerzhafter Vorgang, mit einem Kreuzstich (Epidurale) können die Schmerzen gelindert werden. Doch angeblich wird damit auch die Freude an der Geburt vermindert - und schon tobt wieder ein ideologischer Kampf, was "gute Mütter" tun sollen.

Mütter, und solche, die es gerade werden, stehen unter einem enorm hohen Druck, alles richtig zu machen - nicht nur aus dem eigenen Wunsch heraus, sondern auch durch die Gesellschaft. Um alles, was eine Mutter tun oder lassen soll, toben wildeste Debatten, die oft deutlich ideologischer als rational sind. Egal ob es ums Stillen geht (Breast is best - Bewegung) oder um die Vor- und Nachteile einer Kaiserschnittgeburt, immer existiert eine Gruppe, die es vorgeblich am besten weiß und die einer Mutter, die sich anders entscheidet, das Gefühl gibt, eine furchtbare Mutter zu sein.

Aus Sicht der Wissenschaft könnten einige der Fragen durchaus entspannt gesehen werden: Inwieweit beispielsweise ein Kaiserschnitt die spätere Gesundheit des Kindes prägt, ist heute noch kaum zu sagen. Die Wissenschaft liefert in diesem Fall nur wenig Munition für ideologische Grabenkämpfe.

Leiden nach eigenem Bedarf

Auch um den Geburtsschmerz selbst wird heftig gestritten. Der erfüllt verschiedene körperliche Funktionen, die sich auch messen lassen. Das Bindungshormon Oxytocin wird durch den Schmerz vermehrt ausgeschüttet, wodurch die emotionale Bindung an den Säugling gestärkt werden soll - und es verhindert, dass sich die Mutter zur Gänze an die Schmerzen erinnert.

Entsprechend halten es viele für falsch, den Geburtsschmerz frühzeitig durch eine Epidurale (auch PDA für Periduralanästhesie) zu verringern. Außerdem steht durch frühere Studien der Verdacht im Raum, dass eine früh gesetzte Schmerztherapie häufiger zu Kaiserschnittgeburten oder dem Einsatz von Hilfsinstrumenten führt. Müssen Frauen also bei einer Geburt möglichst viel leiden?

Zumindest in einem Punkt kann das eine aktuelle Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration verneinen: Sie zeigt, dass es ganz egal ist, ob die Epidurale früh gesetzt wird oder erst spät - wie lange die Frauen die Schmerzen ohne diese Schmerzbehandlung durchmachen, hat weder einen Einfluss auf das Kaiserschnittrisiko, noch auf die Gesundheit von Mutter und Kind. Die Übersichtsarbeit wertete Daten von insgesamt 15.752 Frauen aus, die ihr erstes Kind bekamen.

So viel zum Unterschied zwischen früh und spät gesetzter Epidurale, aber soll überhaupt eine gesetzt werden? Auch hier spricht aus gesundheitlicher Sicht nichts dagegen, negative Spätfolgen sind nicht bekannt, auch wenn dabei tatsächlich die Zahl der Kaiserschnittgeburten etwas ansteigt.

Natürlich sagt die Studie nichts darüber aus, wie die Mutter die Geburt empfindet und sie in Erinnerung behält. Doch rein aus der Sicht der Gesundheit für Mutter und Kind ist es ganz egal, ob eine Epidurale früher oder später eingesetzt wird. Jede werdende Mutter darf beruhigt selbst bestimmen, wann sie eine Epidurale haben möchte und so viel oder so wenig leiden, wie sie das eben möchte.

Ausschließliches Stillen

Mindestens so heiß wird das Stillen debattiert: Ja, ausschließliches Stillen reduziert die Gefahr des plötzlichen Kindstodes und es gibt Hinweise auf einen langfristigen gesundheitlichen Nutzen, aber: Alles was über die Zeit von drei bis vier Monaten hinaus geht, hat keinen nachweislichen langfristigen Nutzen. Ausschließliches Stillen in den ersten vier bis sechs Monaten wird zu Recht empfohlen, aber die individuellen Bedürfnisse und Wünsche von Mutter und Kind entscheiden, inwieweit es sinnvoll ist, der Empfehlung zu folgen. (Gerald Gartlehner, derStandard.at, 28.11.2014)