Wer kann schon Frauen ergründen? An zwei Versuchen, zumindest in sie Einblick zu nehmen, hat es in letzter Zeit nicht gefehlt. Das Ergebnis ward umfangreich dokumentiert, ist aber letztlich dennoch ein wenig enttäuschend ausgefallen. An Kathrin Nachbaur haben sich viele Journalisten die Zähne ausgebissen, ohne zur letzten Klarheit vorzudringen, was es mit dem Team Stronach und ihrer Rolle in demselben auf sich hat. An der als Eislady bekannt gewordenen Spanierin Estibaliz Carranza hat sich der Schriftsteller Thomas Glavinic abgearbeitet, was Sonntag im "Kurier" in die Schlagzeile mündete: Autor Glavinic über die Eislady: "In dieser Frau brodelt es".

Das Gebrodel im "Kurier"

Das Gebrodel im "Kurier" ging auf die Intervention eines Anwalts zurück, was möglicherweise damit zu tun hatte, dass nach dem Buch, das die Eislady zusammen mit einer Journalistin über ihre zwei Leben. Die wahre Geschichte der Eislady verfasst hatte, das Eis noch einmal so richtig aufbrodeln sollte. Interviews mit Estibaliz Carranza sind nicht erlaubt. Ihr Anwalt besuchte die Doppelmörderin im Gefängnis und arbeitete einen Fragenkatalog für den "Kurier" durch.

In einem Aufwaschen stellte sich Glavinic daneben einem anderen Fragenkatalog des "Kurier": Im Interview gibt der Autor eiskalte Einblicke, welcher ungewöhnlichen Persönlichkeit er begegnete. Und was die Faszination eines Mörders ausmacht - mag er auch eine Mörderin sein. Die eiskalten Einblicke nahm der Autor nicht zuletzt in sich selbst. Mich hat interessiert, ... ob es etwas, was in dieser Frau steckt, auch in mir gibt. Ich bin überzeugt, dass sich da Übereinstimmungen finden.

In der Frau passiert viel

Wie weit, blieb ungeklärt, weil der "Kurier" mehr wissen wollte - und erfuhr. In der Frau passiert viel, da brodelt es. Die Vibes, die beim Treffen spürbar sind, sind schon bemerkenswert. Da wollte das Blatt natürlich wissen: Wie äußert sich das Brodeln? Aber Pech: Sehr schwer zu schildern. Sie wechselt ziemlich ansatzlos von einem Thema zum anderen. Und der Autor bekennt: Ich bin zwar kein Psychologe, aber über eine überdurchschnittlich ausgeprägte Affektkontrolle scheint sie nicht gerade zu verfügen. Das war insofern interessant, als der Autor ein paar Zeilen zuvor noch gemeint hatte: Zwischen den Morden lagen zudem mehrere Jahre. Da kann man nicht von einer Affekthandlung sprechen. Aber er ist ja kein Psychologe.

Obwohl, laut "Kurier", Interviews mit Estibaliz Carranza nicht erlaubt sind, kam einen Tag vor diesem Blatt auch "Der Standard" im ALBUM in den Genuss der Früchte, die Glavinic in der Justizanstalt Schwarzau geerntet hatte. Nicht ohne Probleme. Man legte mir einen Zettel vor, auf dem ich unterschreiben soll, nichts von diesem Gespräch journalistisch zu verwenden. Ich frage, ob das ein Witz sein soll. Mein Anwalt sagt, das könnte ich getrost unterschreiben, es habe keinerlei Rechtsgrundlage. Ich unterschreibe. Ich bin ja auch kein Journalist, nur journalistischer Verwender.

Das Arbeitsleid des Anwalts

Damit kam endlich auch der Anwalt samt seinem Arbeitsleid zu seinem Recht. Mein Anwalt ist Schikanen gewohnt. Jemand, der Straftäter aus der Unterwelt vertritt und als österreichischer Rechtsbeistand der Hells Angels fungiert, wird sowieso schon als problematische Figur angesehen, brodelt es nun nicht mehr in der Eislady, sondern im Klienten. Zudem hat er vor einigen Jahren ein Buch mit dem Titel "Die Zwei-Klassen-Justiz" geschrieben. Darin schildert er anhand realer Fälle, wie leicht ein unschuldiger Normalbürger bis hin zum Verlust seiner Existenz in die Fänge der Justiz geraten kann, und analysiert präzise, wie viele menschliche und kriminaltechnische Ressourcen durch die Konzentration auf die lapidare Blut- und Raubkriminalität gebunden ist (sic!), wodurch modernere, intelligentere Straftäter, etwa im Hochfinanzsektor, mehr oder minder ungehindert ihren Machenschaften nachgehen und damit ganze Volkswirtschaften vernichten können.

Blühende Wirtschaften

Volkswirtschaften könnten ungehindert blühen, ließe die Justiz die Mörder und Räuber nur ihren lapidaren Geschäften nachgehen! Kein Wunder: Seit der Lektüre seines Buches habe ich jedenfalls mehr Angst vor der Justiz als vor der Doppelmörderin neben mir. Doch räumt er ein: Ich verstehe nichts von Strafvollzug.

Aber zurück zu Kathrin Nachbaur. Wenn es in dieser Frau brodelt, lässt sie sich nichts anmerken. Zu ihrem Gagenverlust befragt, verriet sie der "Krone": Da es meine private Angelegenheit ist, kommentiere ich das nicht medial. Conny Bischofberger ist eben kein Thomas Glavinic.