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Marine Le Pen (im Bild bei einem Auftritt in Calais) rechtfertigt sich für russische Kredite mit hohen laufenden Wahlkampfkosten.

Foto: REUTERS/Pascal Rossignol

Ausländerfeindlich, wie sie sind, betiteln die Le-Pen-Anhänger ihre Gegner gerne als "Partei des Auslandes", die durch dunkle und fremde Kräfte finanziert werde. Jetzt sieht sich der Front National (FN) selbst mit genau diesem Vorwurf konfrontiert. Dabei geht es nicht um "böse Kapitalisten" oder "Juden", sondern russische Oligarchen. Die linke Internetzeitung "Mediapart" hat publik gemacht, dass die First Czech-Russian Bank (FCRG) dem französischen Front National einen Kredit über neun Millionen Euro gebe. Die Bank gehört Roman Popov, der dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nahesteht. Damit präsentiert sich die dezidierte Parteinahme Le Pens für dessen aggressive Krim- und Ukraine-Politik plötzlich in einem neuen Licht.

Die FN-Präsidentin musste den Kredit über neun Millionen mittlerweile bestätigen. Sie verteidigte sich mit dem hohen Finanzbedarf vor den Regional- und Präsidentschaftswahlen in Frankreich; und da ihr die Pariser Banken keinen Kredit gäben, müsse sie ihre Kampagnen eben notgedrungen im Ausland vorfinanzieren.

Kredit weit höher

In der Zwischenzeit hat "Mediapart" aber nachgehakt und herausgefunden, dass der FCRG-Kredit nur die erste Tranche eines weit höheren Darlehens von 40 Millionen durch kremlnahe Institute ist. Abgeordnete der regierenden Sozialisten befürchten in Paris, dass Moskau EU-feindliche Formationen in Westeuropa bewusst unterstützt, und verlangen bereits ein ausländisches Finanzierungsverbot nationaler Parteien.

Le Pen wird sich dazu am Wochenende beim Parteitag des Front National äußern müssen. Der Kongress in Lyon sollte das Fanal für den "Marsch auf den Elysée-Palast" sein, wie der regionale FN-Vorsteher Jacques Colombier erklärte. Die 46-jährige Parteichefin und einzige Kandidatin für ihre Wiederwahl an der FN-Spitze inszeniert eine große Show, an der sich sogar ihr widerborstiger und offenbar auch futterneidischer Vater Jean-Marie Le Pen beteiligt: Seine Tochter habe die "Statur von Angela Merkel", erklärte er in einem Interview, um Marines Regierungstauglichkeit zu betonen.

Das Undenkbare wird möglich

Die mangelnde Amtserfahrung der Populistin gilt laut Umfragen aber als ihr größtes Handikap. Bei den Europawahlen in diesem Jahr wurde der Front National erstmals stärkste Partei Frankreichs. Das kommt nicht von ungefähr: Die Wirtschaftskrise und die Kritik an der EU und der Globalisierung spielen Le Pen in die Hände und erlauben es ihr, mit den bekannten Feindbildern – Migranten, Finanzhaie, korrupte Politiker – Konflikte zu schüren. Erstmals wird das bisher Undenkbare denkbar: ein Vertreter des braunen Front National an der Spitze der stolzen französischen Republik.

Diese Aussicht schafft aber auch ein Problem für die Lepenisten: Sie können nicht länger bloß die ganze Welt für das Malheur der Nation verantwortlich machen, sondern müssen auch Lösungsansätze bieten. Und das ist nicht Marine Le Pens Stärke. Bisher plädierte sie für einen Euro-Austritt – was Frankreich nach Ansicht der meisten Ökonomen in eine massive Rezession und Inflation stürzen würde.

Verworfene Prinzipien

Am Freitag warf sie ihren Standpunkt in einem Interview mit "Le Figaro" – der ihr keinerlei Fragen zum Russland-Kredit stellte – kurzerhand über Bord: Als ihre erste Amtshandlung im Elysée 2017 nannte sie nicht mehr den Euro-Ausstieg; stattdessen will sie innerhalb von sechs Monaten nach ihrer Wahl eine Volksabstimmung über den EU-Ausstieg ihres Landes ansetzen. Aber das auch nur, wenn Brüssel die "territoriale und monetäre Souveränität" Frankreichs nicht anerkenne. Was das genau heißt, ließ Le Pen offen.

Würde Frankreich den Schengenraum verlassen, den Euro aufgeben? Je näher Le Pen dem Elysée kommt, desto schwammiger wird sie. Doch das mögen ihre Wähler gar nicht. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 29./30.11.2014)