Der prachtvolle Bacchus von Adriaen de Vries hätte schon ein Mal das Zeug zum Star gehabt, die Freuden öffentlicher Anerkennung blieben ihm damals verwehrt, stattdessen folgte ein Skandal: 2010 war die einen Brunnen zierende Bronzeskulptur bei einer Routineschätzung von Christie' s in Oberösterreich entdeckt worden und sollte im Juli 2011 in London versteigert werden. Auf Basis des Denkmalschutzgesetzes, dem auch Privatpersonen unterliegen, hatte der Eigentümer die Ausfuhr beantragt und bewilligt bekommen.
Der Haken: Trotz mehrfacher Nachfrage war dem Bundesdenkmalamt (BDA) die Herkunft verschwiegen worden, wie dama- lige Standard-Recherchen nachwiesen. Schloss St. Martin im oberösterreichischen Innkreis: Seit 1940 steht es unter Denkmalschutz und damit automatisch auch Teile des Inventars (Ensembleschutz).
Namens des Verkäufers hatte Christie's jedoch den Zusammenhang mit einer geschützten Sammlung ausgeschlossen. Der Besitzer wisse davon nichts. Von wegen, konterte das zuständige Landeskonservatorat (OÖ), die deutsche Familie Arco-Zinneberg habe seit Jahren entsprechende Subventionen erhalten. Das Kulturministerium ordnete die sofortige Rückkehr der 1626 datierten Skulptur an. Und während ein Nachguss (Victoria& Albert Museum, London) seither als zentraler Blickfang den (nicht öffentlich zugänglichen) Schlosshof ziert, blieb das Original in sicherer Verwahrung.
Bis vor kurzem, denn am 11. Dezember bekommt der de Vries bei Christie' s in New York seine zweite Chance. Auf aktuelle Anfrage bestätigt das BDA das Vorliegen einer Ausfuhrbewilligung. Zusammengefasst habe sich herausgestellt, dass die Skulptur weder für das Schloss geschaffen, noch 100 Jahre später im Hinblick auf den Standort im Schlosshof erworben wurde. Weiters liege keine empfindliche Beeinträchtigung des österreichischen Kulturbestandes vor.
Herausragende Güte
Das Gegenteil sei der Fall, poltert Johann Kräftner und verweist auf die fantastische und im Vergleich zu hiesigen Beständen absolut herausragende Güte. Das Non-finito, dieses die Expressivität steigernde Unfertige à la Rodin sei der besondere Reiz, erläutert der Direktor der Sammlung des Fürsten Liechtenstein (Wien/ Vaduz) die kunsthistorischen Qualitäten.
Im Zuge solcher Verfahren holt das BDA für nicht unter Denkmalschutz stehende Kunstwerke die Stellungnahme von Museen ein und entscheidet basierend darauf, ob eine Ausfuhr bewilligt wird oder nicht. Wiewohl Kräftners Expertise in anderen Fällen stets Gewicht hatte, in diesem hatte das BDA darauf verzichtet: sowohl 2011 als auch im Zuge des aktuellen Verfahrens.
Stattdessen beruft man sich auf die 2011 beim Kunsthistorischen Museum eingeholte Meinung. Die zwischenzeitlich dort nicht mehr tätige Kunsthistorikerin hielt den künstlerischen Wert für unbedeutend. Eine fatale Fehleinschätzung, hatte Kräftner bereits damals attestiert. Denn tatsächlich waren internationale Experten ob der Entdeckung dieser Skulptur aus dem Todesjahr des manieristischen Bildhauers völlig hingerissen.
Welche Bedeutung die Fachwelt der 109 cm hohen Skulptur tatsächlich beimisst, lässt sich auch über den von Christie's überaus deutlich nach oben revidierten Schätzwert ablesen: 2011 lag dieser bei acht bis 13 Millionen Dollar, aktuell werden die Erwartungen mit 15 bis 25 Millionen Dollar beziffert. (kron, DER STANDARD, 29.11.2014)