2009 wechselte dieses Bildnis einer lachenden jungen Frau als Arbeit der Cranach-Werkstatt im Dorotheum den Besitzer. Ob es sich um eine Goller-Fälschung handelt, ist Gegenstand von Ermittlungen.

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Das Gutachten von 1929 bezieht sich auf das verschollene Original.

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Was der deutsche Kunsthistoriker Michael Hofbauer seit Jahren wusste, wurde jetzt öffentlich: Christian Goller, ein im Niederbayerischen angesiedelter Restaurator, verdiente sich in den letzten Jahren ein stattliches Zubrot mit Fälschungen deutscher Renaissancemeister. Zumindest 50 Werke allein in letzten Jahren, wie viele insgesamt, ist noch Gegenstand von Ermittlungen des Landeskriminalamtes (LKA) Bayern und wird - wie im Falle Beltracchis - womöglich nie geklärt werden. Der Vorwurf: gewerbsmäßiger Betrug im großen Stil, der Strafrahmen reicht hier von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Bei dem bislang vorliegenden Schadensausmaß von 500.000 Euro sei laut Staatsanwaltschaft jedenfalls keine Geldstrafe mehr vorgesehen.

Wie ein Weltmeister

Der Witz daran: Erste Hinweise zu seinem Talent gab es bereits in den 1970er-Jahren. Damals war es um ein Gemälde von Matthias Grünewald (Hl. Katharina) gegangen. Ein Vorsatz konnte dem als Kirchenmaler geschätzten "Künstler" nicht nachgewiesen werden. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Er selbst hatte sie stets als Altmeister-Imitationen bezeichnet. Im März war in einer Passauer Zeitung ein ganzseitiger Artikel erschienen, in dem er Einblick in seine Laufbahn gewährte: Im Alter von 15 Jahren habe er mit dem Kopieren von Ikonen begonnen, mit 19 wagte er sich an die ersten Alten Meister, mit 22 habe er "wie ein Weltmeister" zu malen begonnen "Akkordarbeit für Stücklohn".

Goller malte, was andere bestellten. Bei Dürer ("zu viele Lasuren") wie Holbein ("die Gewänder, eine Wahnsinnsarbeit!") monierte er den Aufwand. Dagegen schätzte er die "leicht verständliche Bildsprache" eines Cranachs, für den er höchstens acht Tage benötigen würde. Eine Vorliebe, die ihm jetzt zum Verhängnis wurde.

Nun kommt der Heidelberger Kunsthistoriker ins Spiel. Michael Hofbauers Spezialgebiet ist Lucas Cranach der Ältere im Speziellen, die Maler-Dynastie im Allgemeinen. Gemeinsam mit Kollegen betreibt er die Forschungsplattform Cranach.net. Er selbst war vor Jahren einer dieser Fälschungen aufgesessen. Er war nicht der Einzige, so gut wie jeder, der sich mit Cranach beschäftigte, sei Goller auf den Leim gegangen, erzählt er.

Womöglich auch das Dorotheum? 2009 war hier das Bildnis einer lachenden jungen Frau ("Werkstatt Lucas Cranach d. Ä.") für rund 24.000 Euro versteigert worden. Ein echter Goller, ist Hofbauer überzeugt. Das im Katalogeintrag genannte Gutachten aus dem Jahr 1929 beziehe sich auf das im Werkverzeichnis klein abgebildete Original, das dem Niederbayer als Vorlage gedient haben dürfte. Auf Anfrage bestätigt das Dorotheum, zwischenzeitlich mit dem LKA zu kooperieren. Aus ermittlungstechnischen Gründen könne man derzeit keine Details nennen. Dem Vernehmen nach dürfte es aber um mehr als nur einen "Goller" gehen.

2010 war eine bei Nagel (Stuttgart) eingebrachte Schönheit laut Handelsblatt auf Initiative des Cranach-Forschers Dieter Koepplin kurz vor der Auktion zurückgezogen wurden. Hingegen fand eine vermutlich aus dem Goller-Atelier stammende Justizia bei Christie's in London 2008 für rund 122.000 Euro einen neuen Besitzer. Dienstag dieser Woche zog Christie's ein Porträt von Karl V. ("Umkreis Lucas Cranach d. J.") zurück, das in Amsterdam um die 35.000 Euro hätte bringen sollen. Man wolle "damit weiteren Forschungen zur Authentizität Raum geben", lautete die Erklärung. Wie viele Werke dieses Cranachs des Allerjüngsten auf dem Kunstmarkt tatsächlich kursieren, ist derzeit ungewiss. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 29./30.11.2014)