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Michael Krammer (54) ist Manager (Telekommunikation) und seit November 2013 Präsident von Rapid.
Standard: Rapid ist Fünfter, in der Europa League an Helsinki gescheitert. Der Geschäftsbericht weist ein Plus von 180.000 Euro aus. Kann man da zufrieden sein?
Krammer: Mit der sportlichen Seite auf gar keinen Fall, mit der wirtschaftlichen ja.
Standard: Bei Amtsantritt haben Sie angekündigt, Rapid werde in die Top 50 der europäischen Klubrangliste vorstoßen und 10.000 neue Mitglieder haben. War das Wahlkampfrhetorik, oder stehen Sie dazu?
Krammer: Ich stehe dazu, wir lassen uns daran messen. Ich habe es sogar wiederholt. Die 10.000 zusätzlichen Mitglieder sind bis Ende 2015 vorgesehen, wir halten bei 4500. Die Arbeitsgruppe geht von einem Potenzial von 30.000 aus. Die Top 50 sind bis 2019 geplant.
Standard: Das Stadionprojekt ist auf Schiene, Sie werden deshalb einen Platz in der Präsidentengeschichte einnehmen. Gab es Zweifel, dass daraus nichts werden könnte?
Krammer: Nur wenn man im Worst Case denkt, kann man den Best Case erreichen. Du musst auf die Dinge vorbereitet sein, die schiefgehen könnte. Für Zweifel gibt es aber Lösungen. Die Geschwindigkeit, in der das Projekt voranschreitet, ist beeindruckend.
Standard: Die Bestellung von Christoph Peschek zum Geschäftsführer Wirtschaft ist nicht ganz unumstritten. Es gab keine Ausschreibung. Was qualifiziert ihn? Schaut es nicht ein bisserl nach dem österreichischen Proporz aus? Sie gelten als ÖVP-nahe, Peschek gehört der SPÖ an.
Krammer: Ja, genau so ist es, nähren wir doch die Dolchstoßlegenden, oder? Ich habe in den letzten zwölf Jahren 20 bis 30 Auswahlverfahren von Führungspositionen geleitet. Wir haben ein genaues Anforderungsprofil erstellt, Aufgaben und Ziele definiert. Wir haben einen Personalberater beauftragt, es gab zunächst eine Longlist. Die Kandidaten, die übriggeblieben sind, mussten sich vor sieben Leuten präsentieren. Peschek war der Beste, so einfach ist das. Was die Ausschreibung betrifft, ja, es gab keine Annoncen in Zeitungen. Solche Positionen besetzt man per Personalberater.
Standard: Parteipolitik spielte also überhaupt keine Rolle?
Krammer: Ich bin ein Jahr Präsident, habe in dieser Zeit keinen einzigen Anruf von irgendeinem Politiker bekommen. Null. Auch wenn es sich die Leute immer so vorstellen, es ist nicht so.
Standard: Im Geschäftsbericht fällt auf, dass in den nationalen Bewerben ein Verlust von 5,6 Millionen Euro gemacht wurde. Was passiert, sollte sich Rapid nicht für die Europa League qualifizieren? Die Pleite?
Krammer: In den 5,6 Millionen sind viele Einmaleffekte drinnen, die wir zur Vorsorge fürs neue Allianz-Stadion hineingenommen haben. Aber es ist richtig, nehmen wir nicht am Europacup teil, gibt es einen Fehlbetrag von drei Millionen. Der muss kompensiert und abgefangen werden. Das Ziel ist, eine schwarze Null zu kreieren. Je mehr Mitglieder Rapid hat, desto stärker ist die Community und desto interessanter sind wir für Sponsoren. Wir sind eine homogene Familie.
Standard: Rapid ist aber immer noch ein Fußballverein. Bleibt der sportliche Erfolg aus, hat man ein Problem. Ist Ihr Vertrauen in Sportvorstand Andreas Müller und Trainer Zoran Barisic nach drei Niederlagen en suite ungebrochen?
Krammer: Ja.
Standard: Wann beginnt die Krise?
Krammer: Das kann man so nicht sagen. Man muss achten, wie gearbeitet wird, wie die Entwicklung ist, auf welche Art Spiele verloren werden. Das 1:3 in Grödig war sicher schlimm. Wir analysieren alles, liegen in der Tabelle hinter Altach, das darf nicht sein. Im Moment sehe ich aber überhaupt keine Veranlassung, irgendetwas infrage zu stellen.
Standard: Gibt es nicht doch ein Qualitätsproblem? Den eigenen Nachwuchs zu fördern ist ehrenwert, aber die Amateure liegen am Tabellenende der Regionalliga. Es gibt kaum einen Nachschub. Da hilft das schönste Stadion nicht, oder?
Krammer: Falsch. Das schönste Stadion hilft dabei. Bei U15-Turnieren stehen Scouts von Barcelona, Real Madrid oder Manchester Schlange. Mit dem neuen Stadion gibt es vier Millionen Euro Cashflow mehr im Jahr. Damit kann man Talente halten. Das oberste Ziel ist der sportliche Erfolg. Davor muss aber die Basis, der finanzielle Erfolg, geschaffen werden. Jedes Haus braucht zuerst das Fundament. So banal ist es. Leider oder Gott sei Dank.
Standard: Haben Sie sich schon einmal in einem stillen Moment gefragt, warum Sie sich das antun? Vielleicht fragt sich das jeder Präsident.
Krammer: Sicher. Aber ich habe ein Verantwortungsgefühl, zieh die Dinge durch. Wenn ich etwas tue, dann mit bestem Wissen und Gewissen. Erlebt man dann die Mitgliederversammlung, so merkt man, hier entsteht etwas, das macht Sinn.
Standard: Mitgliederversammlungen erinnern aber an Parteitage. Wird die Lage nicht zu rosig gesehen?
Krammer: Sollen wir uns gegenseitig in die Pfeife hauen? Der Rapid-Geist ist grundsätzlich ein positiv ausgerichteter Geist. Die Frage ist nicht: Warum sind wir so schlecht? Sondern: Was können wir besser machen?
Standard: Wo steht Rapid in drei Jahren?
Krammer: Mitten im Titelkampf.
(Christian Hackl, DER STANDARD, 29.11.2014)