London/Wien - Das erst vor zehn Jahren entdeckte Graphen gilt als Wundermaterial: Die zweidimensionale Schicht, die nur aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen besteht, ist reißfester als Stahl und leitet Strom und Wärme besser als Kupfer. Zugleich ist Graphen flexibel, fast durchsichtig und rund eine Million Mal dünner als ein Blatt Papier.

Die wundersame Kohlenstoffschicht wird bereits für hunderte von Anwendungen getestet, darunter befinden sich Batterien ebenso wie Nachtsichtgeräte, medizinische Scanner, Kondome und Laser. Doch das ist längst noch nicht alles: Diese Woche berichteten zwei verschiedene Forscherteams in den Wissenschaftsmagazinen "Nature" und "Science" gleich über zwei neue Anwendungsmöglichkeiten, die besonders vielversprechend klingen.

Ein Forscherteam um Edwin Thomas (Rice University in Houston, Texas) hat Graphen auf seine Widerstandskraft gegen Kügelchen getestet, die auf mehrere Langen der Kohlenstoffschicht abgefeuert werden. Wie Experimente zeigen, kann Graphen die Energie des Aufpralls extrem schnell verteilen, wodurch es selbst bei sehr hohen Aufprallgeschwindigkeiten unversehrt bleibt. Die Forscher gehen im Fachblatt "Science" deshalb davon aus, dass etwa Schutzwesten, in die Graphenschichten als Verbundmaterial eingearbeitet sind, weitaus widerstandsfähiger sein könnten als entsprechende Schutzpanzer aus Kevlar oder Stahl.

Eine andere Anwendung, die bahnbrechend für die Energieversorgung sein könnte, beschreibt ein Team um Andre Geim (Universität Manchester) im Fachblatt "Nature": Geim, der 2010 für seine Entdeckung von Graphen mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, fand mit seinen Kollegen heraus, dass Graphen durchlässig für Protonen ist. Das wiederum könnte es möglich machen, das Wundermaterial als ultradünne und effiziente Membran in Brennstoffzellen einzusetzen. (tasch, DER STANDARD, 29.11.2014)