Wien - Rund vier Stunden hat der ÖVP-Klub am Freitagnachmittag über die geplante Liberalisierung des Fortpflanzungsmedizingesetzes diskutiert, auch Experten kamen dabei zu Wort. Der Entwurf finde breite Zustimmung, berichtete ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka im Anschluss. Das Nein von Behindertensprecher Franz Josef Huainigg werde im Klub akzeptiert.

Eine Entscheidung, ob die Abstimmung für die ÖVP-Abgeordneten im Nationalrat tatsächlich freigegeben wird, wie es Parteichef Reinhold Mitterlehner in der Vorwoche angeregt hatte, gab es nicht: Diese Frage sei am Freitag von niemandem gestellt worden und deshalb brauche man das auch nicht entscheiden, sagte Lopatka.

"Unwertes Leben"

Laut einer Aussendung des Parlamentsklubs hat sich Behindertensprecher Huainigg einmal mehr kritisch geäußert: "Hier wird das Leben in wertes und unwertes Leben unterschieden." Er werde nicht zustimmen, "solange nicht auch bei Spätabtreibungen aufgrund von Behinderungen bessere und eindeutigere Rahmenbedingungen wie das Recht auf psychosoziale Beratung, Bedenkfrist und die Definition von 'schwerer Schädigung' geschaffen werden".

Huainiggs Haltung werde im Klub akzeptiert, betonte Lopatka, weil er sich nicht profilieren wolle, sondern persönliche Gründe dafür habe. Es habe in der Diskussion auch kritische Wortmeldungen gegeben, aber außer Huainigg habe niemand gesagt, dass er gegen das Gesetz stimmen werde - auch nicht Finanzsprecher Andreas Zakostelsky. Dieser hatte zumindest vor der Sitzung zur APA gesagt: "Soweit ich das Gesetz in seiner aktuell vorliegenden Fassung kenne, werde ich dagegen stimmen."

Wann immer nun die Abstimmung im Nationalrat sein werde, werde man sich davor noch einmal zusammensetzen, kündigte Lopatka an. Eine ähnlich breite Diskussion wie am Freitag erwartet er aber nicht, sei doch "die ganz, ganz große Mehrheit" für den Entwurf.

Dieser "berücksichtigt sowohl den notwendigen Schutz des frühkindlichen Lebens als auch die Interessen von Eltern sowie die jüngsten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu diesem Thema, was den Meinungsbildungsprozess im ÖVP-Klub erleichtert hat," erklärte Lopatka in der Aussendung.

Selbstverständlich seien alle Fragen am Beginn und zum Ende des Lebens im Allgemeinen große ethische und gesellschaftspolitische Themen, meinte Lopatka. Man mache es sich in der ÖVP daher auch nicht leicht und sei gerade deshalb auch für klare Rahmenbedingungen und genaue Vorgaben für die Fortpflanzungsmedizin. Entschieden wehrte sich Lopatka gegen Falschmeldungen, in denen etwa von Designer-Babys die Rede sei. "All das wird durch das neue Fortpflanzungsmedizingesetz dezidiert ausgeschlossen."

Die strengen Regelungen im neuen Gesetz, um Missbrauch und Kommerzialisierung im Bereich der Fortpflanzungsmedizin zu vermeiden, hob auch ÖVP-Familiensprecher Georg Strasser hervor. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger wies darauf hin, dass die Präimplantationsdiagnostik bis auf wenige Ausnahmen weiterhin verboten bleibe. Justizsprecherin Michaela Steinacker konstatierte "klare Regeln mit Augenmaß unter Rechtsgüterabwägung, die den Entwurf zur Reform des Fortpflanzungsmedizingesetzes kennzeichnen".

Für den Entwurf ist auch ÖVP-Frauen-Chefin Dorothea Schittenhelm: Er sei ganz im Sinne der Frauen, denn einerseits dürfe man die Präimplantationsdiagnostik nicht anwenden, andererseits aber nach drei Monaten Schwangerschaft das Kind noch abtreiben, teilweise sogar bis zum neunten Monat. "Das ist für mich eine Doppelmoral", meinte Schittenhelm. Das Gesetz sei aber auch im Sinne jener, die auf natürliche Weise keine Kinder bekommen können und schon mehrere Fehlgeburten hatten. Nun gäbe es die Möglichkeit, unter sehr strengen Auflagen den Embryo zu untersuchen, um nicht wieder Gefahr zu laufen, eine weitere Fehlgeburt zu haben. (APA, 28.11.2014)