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Expräsident Hosni Mubarak am Samstag bei seinem Abtransport aus dem Gerichtsgebäude. Der 86-jährige Freigesprochene winkte seinen jubelnden Anhängern zu.

Foto: AP Photo/Amr Nabil

Ägypten hat zum ersten Mal in seiner Geschichte einen Präsidenten und gleich mehrere Exstaatschefs: drei, wenn man den Übergangspräsidenten Adly Mansur mitzählt, der von General Abdelfattah al-Sisi nach dem Sturz Mohammed Morsis im Juli 2013 eingesetzt wurde. Sisi wurde 2014 selbst zum Präsidenten gewählt, sozusagen konkurrenzlos – was wieder an die alten Zeiten erin nerte. Mohammed Morsi hatte die Wahlen im Juni 2012 knapp gegen Ahmed Shafiq, den letz- ten Premier Hosni Mubaraks, gewonnen.

"Urteil Geschichte und Gott überlassen"

Mubarak, der von 1981 bis zu seinem Sturz im Februar 2011 ägyptischer Präsident war, dürfte bald aus der Haft, die er in einem Militärkrankenhaus verbringt, entlassen werden. Sein Korruptionsurteil von drei Jahren ist abgedient. Er ist 86, und es wurde ihm schon vor Jahren eine schwere Krankheit nachgesagt. Trotzdem ist es durchaus möglich, dass er den 63-jährigen Morsi überlebt: Für diesen verlangt der Staats anwalt die Todesstrafe, und es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Richter wie bei Mubarak zum Schluss kommt, dass man das Urteil der Geschichte und Gott überlassen sollte.

Morsi ist gleich in mehreren Verfahren angeklagt. Der "Spionage"-Prozess, der im November fortgesetzt wurde, ist der für Morsi und seine 34 Mitangeklagten gefährlichste. In der Anklageschrift von Staatsanwalt Emad al-Sharawy steht unter anderem, dass Morsi während seiner Amtszeit dem Iran Staatssicherheitsdokumente übermittelt haben soll. Die Kooperation mit der palästinensischen Hamas zur Destabilisierung Ägyptens ist ein anderer Punkt. Morsi erkennt das Gericht nicht an und hat auch keinen eigenen Verteidiger benannt.

Strippenzieher in Teheran

Der Iran kommt immer wieder in der Verschwörung vor, deren die Muslimbrüder beschuldigt werden, manchmal auch in etwas skurriler Form. So soll im November 2010 – also vor dem Ausbruch von Protesten in der arabischen Welt, die von der Selbstverbrennung Mohamed Bouazizis am 17. Dezember 2010 ihren Ausgang nahmen – in Syrien ein verschwörerisches Treffen zwischen Muslimbrüdern, Hamas und einem Vertreter des iranischen Regimes stattgefunden haben. Manche meinen gar, der religiöse Führer Ali Khamenei habe selbst teilgenommen, andere sagen, es war Khomeini – der 1989 verstorbene Revolutionsführer.

Ein anderer Prozess hat Morsis Gefängnisausbruch während der Unruhen am 29. Jänner 2011 zum Inhalt, weitere 130 Personen sind angeklagt. Für die Befreiung von 34 Führungspersönlichkeiten, die damals im Gefängnis in Wadi al-Natrum einsaßen, sollen die Muslimbrüder sowohl mit der Hamas als auch mit der libanesischen schiitischen Hisbollah kooperiert haben. Früher hatte es geheißen, dass die lokale Bevölkerung die Gefangenen – nicht nur die Muslimbrüder, sondern auch die anderen – herausgeholt habe.

Zwei Verfahren aus unterschiedlichen Zeiten

Morsi und andere Brüder sind weiters angeklagt, im Dezember 2012 zu gewaltsamen Protesten vor dem Ittihadiya-Palast aufgerufen zu haben, bei denen Menschen getötet wurden. Daneben laufen noch Korruptionsklagen und eine wegen Beleidigung der Justiz.

Dass die Prozesse gegen Mubarak und Morsi nicht politisch geführt werden, glaubt kaum jemand. Ägypten wird als interessanter Fall in die Geschichte der Übergangsjustiz – die juristische Vergangenheitsbewältigung beim Übergang eines Landes von einem System ins andere – eingehen. Genau genommen sind es zwei Prozesse, die unterschiedlichen Zeiten angehören: der Mubaraks der revolutionären Zeit von 2011 bis 2013, und der Morsis jener danach, der Zeit der Konterrevolution. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 1.12.2014)