Die Schweizer verzichten also auf eine neue Schocktherapie nach der Radikalkur vom 9. Februar. Damals stimmten sie knapp für eine grundsätzliche Begrenzung der Zuwanderung; nun aber haben sie eine weitere Verschärfung deutlich abgelehnt - so deutlich, wie es angesichts der Radikalität des Ecopop-Begehrens eigentlich normal gewesen wäre, aber viel deutlicher, als es die Nervosität der Parteien und Wirtschaftsverbände vor der Abstimmung erwarten ließ. Doch die Debatte ist damit nicht beendet. Die Frage nach den Grenzen des Wachstums, die die Ecopop-Initiative stellte, ist noch nicht beantwortet. Im Gegenteil, sie muss jetzt erst recht beginnen. Denn Wirtschaftsverbände und Parteien haben sich mit der Warnung begnügt, wer die Zuwanderung radikal begrenze, gefährde das Wirtschaftswachstum.
Doch welches Wachstum ist angemessen für ein Land, das doppelt so dicht besiedelt ist wie Österreich und dessen ökologischer Fußabdruck dreimal zu groß ist, um nachhaltig zu sein? Was hat der Durchschnittsbürger davon, wenn die Wirtschaft wächst, für ihn aber nur die Miete teurer und die Konkurrenz am Arbeitsplatz schärfer wird? Wachstum als Selbstzeck reicht nicht mehr. Eine Wirtschaft, die allen dient, muss das Ziel sein.
Auch beim Nationalbank-Gold wollen die Schweizer keine Schocktherapie: Die klare Mehrheit vertraut dem bisherigen Kurs der Nationalbankspitze und will kein Zurück. (Klaus Bonanomi, DER STANDARD, 1.12.2014)