Wien – Das Rennen um die Wiener Tramways ist gelaufen: Die nächsten Straßenbahngarnituren werden nicht mehr von Siemens gebaut, sondern vom Konkurrenten Bombardier, der vor mehr als eineinhalb Jahren überraschend einen Wettstreit um einen Folgeauftrag der Wiener Linien vom Zaun gebrochen hatte.

Ab 2018 sollen bis zu 156 Niederflurbims des Typs "Flexity" ausgeliefert werden, teilten die Verkehrsbetriebe am Montag mit. Damit hat sich der ursprüngliche Zeitplan um gut zwei Jahre nach hinten verschoben. Das Auftragsvolumen für den kanadisch-österreichischen Fahrzeughersteller Bombardier beträgt 562 Millionen Euro.

Visualisierung der neuen Straßenbahngarnituren.
Visualisierung: Bombardier

In Wien sind seit 1997 Niederflurstraßenbahnen (ULFs) unterwegs, die bis dato allesamt von Siemens gestellt wurden. Das Unternehmen, dem gute Kontakte zur Rathaus-SPÖ nachgesagt werden, hatte sich Mitte der 1990er-Jahre den Auftrag für die erste Tranche mit einer geringen Einstiegshöhe von damals rekordmäßigen 19 Zentimetern gesichert. Einige Jahre später folgte eine zweite, 357 Millionen Euro schwere Bestellung. Der Vertrag enthielt außerdem eine Option auf eine dritte, noch einmal 150 Züge umfassende Tranche. Von dieser Option machten die Wiener Linien allerdings nicht Gebrauch. Sie entschieden sich stattdessen für die – von Bombardier massiv eingeforderte – Ausschreibung.

"Wir wollten ein Fahrzeug, das modern, bequem und umweltfreundlich ist, mit der existierenden Infrastruktur gut zusammenpasst und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet", begründete Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer die nun getroffene Entscheidung.

In Zukunft werden also sowohl ULFs als auch Flexitys unterwegs sein, wobei von den zuletzt bestellten Siemens-Zügen aktuell noch 45 ausständig sind. Der letzte soll laut Plan im Jahr 2017 geliefert werden.

Wartungskosten-Konzept

Es sei bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen gewesen, heißt es. Ausschlaggebend dürfte ein spezieller Wartungsplan von Bombardier gewesen sein. Die laufende Wartung wird zwar weiterhin mit Wiener-Linien-Personal erledigt, allerdings – im Gegensatz zu den ULF-Serien von Siemens – im Auftrag und auf Risiko des Herstellers Bombardier. Das neue Konzept ist offenbar eine Reaktion auf einen Kontrollamtsbericht aus dem Vorjahr, in dem die hohen ULF-Wartungskosten kritisiert worden waren. Wie viel sich die Wiener Linien nun sparen, wurde nicht bekanntgegeben.

Auch technische Details und genaues Aussehen der neuen Bims sollen erst nach einer zehntägigen Einspruchsfrist bekanntgegeben werden. Zumindest die Farbe Rot soll weiter eine wichtige gestalterische Rolle spielen.

Für Siemens ist die Entscheidung der Wiener Linien eine herbe Enttäuschung und ein schwerer Schlag. Ob Siemens die Entscheidung beeinsprucht, war am Montag noch unklar, ist aber wahrscheinlich. Man werde sich die Details ansehen und die Begründung analysieren, hieß es.

Zwei Werke in Wien

Beide Firmen haben große Niederlassungen in Wien, im Siemens-Werk arbeiten mehr als 2.000 Menschen, bei Bombardier rund 700. Siemens hat im Vorjahr nach eigenen Angaben rund 50 Millionen Euro in die Wiener Standortsicherheit gesteckt. Ob und, wenn ja, welche Folgen das bevorstehende Ende der ULF-Produktion für das Siemens-Werk in Simmering haben könnte, war zunächst kein Thema für die Öffentlichkeit.

Die modernen U-Bahn-Garnituren (V-Züge) werden weiterhin bei Siemens gebaut. Nur die Züge der U6 (frühere Stadtbahn), die aus Denkmalschutzgründen immer noch Oberleitungen haben, sind made by Bombardier. (APA, simo, DER STANDARD, 2.12.2014)