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Arbeiten im Amazon-Warenlager: Für Ex-Mitarbeiter ein "menschenunwürdiges" Leben.

Foto: Reuters/Berger

Seit sie obdachlos sei und mit einem kleinen Schild, auf dem sie ihre Erlebnisse erzählt, bettelt, werde sie mit mehr Respekt behandelt als bei ihrem Job als Amazon-Lagerarbeiterin: Davon berichtet die junge US-Amerikanerin Nichole Gracely in einem Essay, der unter anderem im britischen Guardian publiziert wurde. Sie habe "zehn Stunden alleine" in Amazon-Warenhäusern arbeiten müssen, unter größter Konzentration und konstanter Beobachtung ihrer Vorgesetzten. Gracely war als "Picker" tätig, suchte also die Waren für verschiedene Objekte in den gigantischen Lagerhäusern zusammen.

Nichts zu tun: Ohne Bezahlung heim

Je nach Aufkommen der Bestellungen gab es unterschiedlich viel zu tun. Im Unterschied zu regulären Angestellten in Unternehmen mit akzeptablen Bedingungen wurden die Amazon-Mitarbeiter aber nach Hause geschickt, sobald es nichts zu tun gab – sie erhielten dann auch keine Bezahlung. Umgekehrt mussten die Lagerarbeiter jede Überstundenanzahl vorbehaltlos akzeptieren – auch wenn sie erst fünf Minuten vor Dienstschluss über die Extraschicht informiert wurden.

"Menschenunwürdig"

Dies und die ständige Drohung, bei schlechter Performance einfach den Zugangscode zum Warenhaus zu sperren und somit wieder arbeitslos zu werden, habe Gracely gereicht: Nach mehreren Jahren bei Amazon entschied sie, dass dieses Leben menschenunwürdig sei. Seitdem ist sie durch das ohnehin schwache soziale Netz in den USA gerasselt, heute lebt sie als Obdachlose und Bettlerin.

Auf einem kleinen Schild erzählt sie, dass sie bei Amazon gearbeitet hat, Uni-Abschlüsse hat und jetzt obdachlos ist – das bewegt viele Menschen. Sie spenden ihr teilweise so viel, dass sie mehr als bei Amazon verdient. Gemeinsam mit ihrem Mann sucht Gracely verzweifelt nach einem Job, nebenbei veröffentlicht sie Texte. Dennoch sei ihre Situation immer noch besser als bei Amazon – denn die Menschen begegnen ihr mit Respekt. (fsc, derStandard.at, 1.12.2014)