Wien - Erst einige Jahrzehnte ist die Entdeckung alt, dass die einzelligen Archaeen sich so grundlegend von anderen Lebewesen unterscheiden, dass die systematische Einteilung des Lebens neuorganisiert werden musste: Die einstmals "Archaebakterien" genannten Archaeen bilden seitdem eine eigenständige Domäne, gleichauf neben der der Bakterien und der der Eukaryoten, zu der neben sämtlichen Tieren, Pflanzen und Pilzen noch eine Menge anderer Organismen gehören.

Die Entdeckung

Fundamentale Unterschiede, etwa in der RNA-Sequenz, sind aber kein Hindernis dafür, dass Archaeen ähnliche Überlebensstrategien entwickeln konnten wie andere Einzeller. So berichten Forscher im Fachjournal "Nature Communications", dass auch ein Archaeon ähnlich wie Bakterien Biofilme bilden kann - auch wenn es im Detail klare Unterschiede gibt.

Österreichische, deutsche und US-amerikanische Forscher fanden das bislang unbekannte Archaeon in kalten Schwefelquellen in der Gegend um Regensburg und in den USA, wo es in Form von Biofilmen an die Oberfläche gespült wird. Als Bezeichnung schlagen sie in ihrer Studie Candidatus Altiarchaeum hamiconexum vor.

CO2-basierter Stoffwechsel

Wie weit der Lebensraum dieser Spezies in die Tiefe reiche, wisse man nicht, betonte Thomas Rattei vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Uni Wien. Weil es aber Indizien dafür gab, dass diese Archaeen-Form ihren Stoffwechsel aus im Wasser gelöstem Kohlendioxid bestreitet, untersuchten die Wissenschafter den Mikroorganismus genauer.

Das Genom wurde von Rattei und seinem Team am Computer analysiert und es bestätigte sich der CO2-basierte Stoffwechsel. Ratteis Kollege Michael Wagner überprüfte die Vorhersagen über den Stoffwechsel aus der Genomanalyse experimentell mithilfe der hochauflösenden Sekundärionen-Massenspektrometrie, eine kurz "NanoSIMS" genannte Methode, für die ein mehr als zwei Millionen Euro teures Gerät seit 2010 an der Uni Wien im Einsatz steht.

Er zeigte, dass der Mikroorganismus seinen Zellkohlenstoff entgegen der ursprünglichen Annahmen nicht aus Acetat, sondern aus CO2 bezieht. Das könnte diese Mikroben-Art zu einem wichtigen Verbraucher von CO2 in der Tiefe machen.

Vermutlich weit verbreitet

Als nächstes wollen die Wissenschafter deshalb die globale Verteilung dieser Mikroorganismen klären. "Jetzt schon zu sagen, dass das Archaeon ein wichtiger Spieler im CO2-Kreislauf ist, wäre verfrüht - aber es hat das Potenzial dazu", so Rattei.

Denn CO2-angereicherte Grundwasser gebe es häufig auf der Erde. Zudem weise die Tatsache, dass man in zwei unterschiedlichen Habitaten in Deutschland und den USA die gleiche Art findet, darauf hin, einen weit verbreiteten Mikroorganismus entdeckt zu haben.

Auf unterschiedlichen Wegen zu ähnlichem Ergebnis

Eine Lebensgemeinschaft in Form eines Biofilms zu bilden, können neben beispielsweise Bakterien oder Pilzen also auch Archaeen, wie diese Entdeckung zeigte. Allerdings ist die Archaeen-Variante anders aufgebaut, wie die Forscher verblüfft feststellten. Sie waren davon ausgegangen, dass die Lebensgemeinschaft wie bei Bakterien durch Schleim zusammengehalten und geschützt wird. Stattdessen hält sich das Archaeon offenbar durch hakenförmige Fortsätze fest.

Die Wissenschafter konnten etwa 100 Anhängsel an der Zelloberfläche jedes Archaeons feststellen, mit denen sich die Mikroben an Oberflächen und andere Zellen anhaften. Diese Filamente weisen eine Stacheldraht-artige Struktur auf, das Ende ist Enterhaken-förmig. "Das ist ein völlig neues Prinzip in der Biologie der Biofilme", sagte Rattei. (red/APA, derStandard.at, 28.12.2014)