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Im nächsten Jahr scheidet Österreichs Vertreterin beim EGMR, Elisabeth Steiner, aus dem Amt. Drei Kandidaten wurden als mögliche Nachfolger vorgeschlagen. Öffentliche Hearings gibt es nicht.

Foto: reuters/VINCENT KESSLER

Wien - Hannes Tretter ist in Menschenrechtsfragen ein ausgewiesener Experte. Er ist Professor für Grund- und Menschenrechte am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Uni Wien, leitet das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte, sitzt im Verwaltungsrat der EU-Grundrechteagentur, ist Vorstandsmitglied der Liga für Menschenrechte und ist noch in weiteren wissenschaftlichen Institutionen aktiv.

Trotz der einschlägigen Erfahrung hat es Tretter nicht auf den Dreiervorschlag der Regierung für die österreichische Richterstelle beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geschafft. Rot-Schwarz nominierte vergangene Woche drei andere Kandidaten, aus denen der Gerichtshof wählen kann. Alle sind zweifelsfrei anerkannte Juristen.

Nur kurze Mitteilung

Gabriele Kucsko-Stadlmayer ist Professorin für Staats- und Verwaltungsrecht. Sie ist - auf einem SPÖ-Ticket - Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofs. Katharina Pabel ist gebürtige Deutsche und an der Uni Linz Professorin für Verwaltungsrecht. Peter Lewisch ist Anwalt und unterrichtet Strafrecht an der Uni Wien (früher übrigens gemeinsam mit Justizminister Wolfgang Brandstetter).

Warum diese drei besser geeignet sind als Tretter, wurde ihm nicht mitgeteilt, wie er dem Standard bestätigt. "Es gab nur eine kurze Mitteilung, dass ich nicht ausgewählt wurde."

Grüne sehen Verstoß

Die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol sieht in dem Prozedere einen klaren Verstoß gegen die Ausschreibungsprinzipien des EGMR. In einer Resolution des Europarats (bei dem der EGMR angesiedelt ist) sei festgehalten, dass Nominierungen den Grundsätzen der Transparenz, Nichtdiskriminierung und demokratischer Verfahren zu folgen hätten. Zumindest von Transparenz könne in Österreich nicht die Rede sein. Die Öffentlichkeit erfahre nicht, welche Kriterien letztlich entscheidend seien.

Die Hearings - in drei Sprachen - wurden von Beamten des Bundeskanzleramts, des Außenamts und auch des Wirtschaftsressorts von Neovizekanzler Reinhold Mitterlehner durchgeführt. Zum Teil handle es sich um die gleichen Personen, die Österreich bei Klagen vor dem EGMR vertreten, beklagt Musiol.

Kanzleramt weist Kritik zurück

Im Kanzleramt weist man die Kritik der Grünen zurück. Die Anforderungen des Europarats seien "sehr allgemein" gehalten und würden mit dem "nachvollziehbaren Prozess", den es in Österreich gebe, sehr wohl eingehalten. Immerhin wurde heuer eine Ausschreibung für den EGMR-Posten durchgeführt. Früher gab es eine direkte Besetzung durch die Politik. Zu einzelnen Personen wolle man sich nicht äußern. Es sei aber "auf der ganzen Welt üblich", dass Kandidaten nicht informiert werden, warum sie nicht zum Zug kommen. Österreich sei nun einmal ein Land mit sehr vielen guten Menschenrechtlern. (Günther Oswald, DER STANDARD, 2.12.2014)