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Empfang nach Maß in Ankara: Putin (rechts) bei Erdogan.

Foto: REUTERS/Umit Bektas

Ankara/Athen – Der eine ist 62 Jahre alt, der andere 60, und beide sind lupenreine Autokratenseelen – so sehen es Opposition und regierungskritische Medien in der Türkei, die am Montag immer wieder eine Schlagzeile des deutschen Magazins "Focus" vom selben Tag aufgriffen: "Zar trifft Sultan".

Kurz nach Mittag war Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem Flughafen in Ankara gelandet, zehn Minister im Schlepptau, für einen Kurzbesuch bei seinem Amtskollegen Tayyip Erdogan. "Strategisch" und "freundschaftlich" lautete die offizielle türkische Beschreibung für die Regierungskonsultationen inmitten von Ukraine-Krise, Syrien-Krieg und Abwertung des Rubel; acht Prozent verlor die russische Währung allein am Montag gegenüber dem Dollar wegen des sinkenden Ölpreises.

Die Türkei sei unabhängig in ihren außenpolitischen Entscheidungen, hatte Putin kurz vor seinem Besuch in einem Interview angemerkt. Die Botschaft des russischen Präsidenten: Ankara sollte die Lücken füllen, die durch jene Wirtschaftssanktionen entstanden sind, mit denen sich die EU und Russland wegen der Krise in der Ukraine gegenseitig belegt haben. Moskau rät den Türken dazu schon seit längerem, aus dem stagnierenden Beitrittsprozess mit Europa Konsequenzen zu ziehen und sich außenpolitisch neu auszurichten, etwa durch einen Beitritt zur Schanghai-Organisation mit Russland, China und zentralasiatischen Staaten.

Ankara verhält sich im Streit um die Ukraine in der Tat weitgehend neutral und verlangt lediglich Garantien für die turkstämmigen Krimtataren – ein Zugeständnis, das Putin nicht schwerfallen sollte. Die türkische Landwirtschaft profitiert bereits vom Embargo, das Russland über Lebensmittel aus der EU verhängt hat. So hat sich die Ausfuhr türkischer Milchprodukte laut Herstellervereinigung in der ersten Hälfte dieses Jahres verfünffacht.

Russen bauen erstes AKW

Die EU bleibt dennoch um vieles wichtiger für die Türkei: Die Exporte in die EU beliefen sich von Jänner bis Oktober auf rund 45 Milliarden Euro; nach Russland waren es nur vier Milliarden Euro, weniger als die türkischen Ausfuhren nach Frankreich. Der Handel der Türken mit Russland ist zudem wegen der Erdgasimporte stark ungleich. Nur Deutschland kauft mehr Gas von Moskau. Ein russisches Konsortium wird im April auch den Bau des ersten Atomkraftwerks in der Türkei beginnen. Außenpolitisch trennt der Syrien-Krieg aber nach wie vor Moskau und Ankara: Erdogan will den Sturz von Machthaber Assad; Putin unterstützt diesen stark. (Markus Bernath, DER STANDARD, 2.12.2014)