Lennart Binder verteidigt mutmaßliche Jihadisten.

Foto: Heribert Corn

Mit der Unschuldsvermutung ist das so eine Sache in Österreich. Sie gilt zwar für alle Bürger, denen eine Straftat vorgeworfen wird. Doch im Eifer des (medialen) Gefechts gerät dieses Grundprinzip des Rechtsstaates immer wieder unter die Räder und bedarf mahnender Erinnerung - manchmal auch unter Androhung rechtlicher Schritte. Lennart Binder ist einer dieser Mahner.

Seit Jahrzehnten vertritt der Rechtsanwalt und Verteidiger Menschen, deren Grundrechte am meisten in Gefahr sind: Flüchtlinge, Opfer von Behördenwillkür und nun auch einige der Personen, die als mutmaßliche Jihadisten ausgeforscht wurden.

"Wir sind hier die Endstation für die ausgequetschten Fälle", hat Binder einmal über den von ihm gegründeten MigrantInnenverein St. Marx am Wiener Alsergrund gesagt. Nicht immer gelingt es dem Menschenrechtsanwalt, seine Mandanten vor einer Verurteilung zu bewahren. Mohamed M., Österreichs erster verurteilter Islamist, musste hinter Gitter. Doch immerhin erreichte Binder, dass der Prozess wegen eines Formalfehlers wiederholt werden musste. Im Fall der berüchtigten "Operation Spring" des Jahres 1999 hingegen konnte der Verteidiger nicht nur beweisen, dass der damalige Hauptangeklagte kein Drogendealer, sondern dass überhaupt die ganze Polizeiaktion zu weiten Teilen ein Fehlschlag war.

Mit dem Engagement für Menschen ohne Lobby wird man weder berühmt noch reich. Doch dass Binder, 1948 in Schweden geboren, noch nicht die Pension genießt, hat in erster Linie mit seinem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit zu tun.

Dieses Gespür ist ihm wohl auch ein wenig in die Wiege gelegt worden. Binder ist deswegen in Schweden geboren, weil die Eltern dorthin vor den Nazis geflüchtet waren. Auch seine Schwester Margit, die Gattin von Bundespräsident Heinz Fischer, kam in Schweden zur Welt; die Familie kehrte 1949 nach Wien zurück.

Vater Otto Binder, der die Konzentrationslager von Dachau und Buchenwald überlebt hatte, machte nach dem Zweiten Weltkrieg Karriere bei der Wiener Städtischen Versicherung. Viele Jahre später schilderte Otto Binder in seinem Buch Wien - retour, Bericht an die Nachkommen (Böhlau-Verlag) die grauenvollen Jahre des Krieges. An darin beschriebene Folter wird Sohn Lennart oft erinnert, wenn ihm Flüchtlinge von ihrem Leidensweg erzählen. (Michael Simoner, DER STANDARD, 2.12.2014)