Das Abenteuer entsteht im_Unscheinbaren mitunter durch minimale Irritationen, etwa in Katrin Plavčaks_Gemälde "Antilopen" (2000).

Foto: Mischa Nawrata

Klosterneuburg – Weltenbummeln und Kunst haben einiges gemein: Sinn des Reisens wie des Schauens ist es, sich auf Fremdes einzulassen. Und zu erlauben, dass es etwas mit einem macht. Dazu sollte man vorurteilsfrei an die Sache herangehen. Audioguide-abhängigen Ausstellungsbesuchern sei daher ebenso wie Cluburlaubern vom Herdendasein abgeraten – auch wenn sie fürchten, sich ohne Sehhilfe hoffnungslos im Bild zu (ver-)irren. Eine neue Abzweigung zu finden, den Trampelpfad zu verlassen: das macht es doch erst spannend! Mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, kann nicht an andere ausgelagert werden, will man der Gefahr von Einheitsbildern entgehen.

Einen Konnex zwischen Weltenbummelei und Kunst zieht das Essl Museum in der Ausstellung Weltenbummler. Abenteuer Kunst. Der Titel markiert den die_Schau bestimmenden Zweischritt: Abenteuer in der Welt und Abenteuer auf der Leinwand. Manchmal ist das Motiv das Abenteuerliche, manchmal die Malerei.

Als gastkuratorische Unterstützung lud man Schülerinnen und Schüler von sieben bis 14 Jahren ein, ihre Vorstellungen vom Abenteuer in Texten und Bildern auszudrücken. Von deren Träumen und Sehnsüchten ausgehend traf das Museum eine Vorauswahl von Arbeiten internationaler Künstler. Die Entscheidung, was und wie im Großen Saal des Museums, mit seiner geschwungenen Decke und dem großen Rotundenloch selbst bereits ein Abenteuer für Ausstellungsmacher, gehängt wurde, lag dann wieder bei den Kindern.

Dicht an dicht finden sich an den Wänden verschiedene Begriffe von „Abenteuer“ wieder. Da hängen Arbeiten, die Freiheit, Unterwegssein und das Unbekannte zeigen: Darunter die gemalte Variation eines lonesome Cowboys, platziert zwischen Autobahn und arabischer Wüste;_Richtung heißt diese Arbeit der in Wien lebenden Schweizerin Anna Meyer. Die verhängnisvollen Verführungen der Großstadt thematisiert der 2005 verstorbene Wiener Franz Zadrazil in Follies Burlesk; seine fotorealistischen, großformatigen Darstellungen von Häuserfassaden, Geschäftsportalen und Stadtbahnstationen besitzen hohen Wiedererkennungswert.

Thrill und Ungezähmtes

Daneben gibt es Bilder, die den Thrill, das Beunruhigende, Unheimliche und Ungezähmte illustrieren. Es müssen nicht immer gleich Zombies sein, wie bei dem Dänen Peter Land, auch kleine Irritationen können große Wirkung entfalten: Warum etwa stehen die Antilopen im gleichnamigen Gemälde von Katrin Plavčak vor bzw. hinter einem Absperrband?

Und dann gibt es die Abenteuer, die sich nicht (nur) im Sujet, sondern in der Malerei selbst offenbaren. Etwa das Hundeporträt Little Cody des 44-jährigen Deutschen Anselm Reyle: Das einzig Abenteuerliche an dem niedlichen Welpen sind neben den grellen Farben und vielfältigen malerischen Strukturen verschiedene Einsätze aus buntem Spiegelglas. Einen Spagat zwischen Kunst- und Realweltabenteuer schafft die multimedial arbeitende Inderin Siri Devi Khandavilli. Im Gemälde Show me the green legt sie ein helles Punkteraster über einen dunklen Blätterdschungel.

Star No. 2, der Blick des Chinesen Liu Wei ins All, war übrigens das bei den Kindern beliebteste Werk. Wie nahe und dennoch fern das Abenteuer liegen kann, zeigt sich an einer Gemeinschaftsarbeit von Insassen der Wilhelmshöhe, einer Außenstelle der Justizanstalt Josefstadt. Die Wege heißt ihr partizipatives Projekt: Abenteuer immer auch als das Unerreichbare, das, was man nicht haben kann.

Angeber nennt schließlich Henning Kles seinen weißen Schwan auf dunklem Grund. „Aus dem Essl-Museum ist ein Mädchen ausgebrochen. Es wurde ein wunderschöner Schwan. Als es hell wurde, war er eine Prinzessin“, erklärt eine der Jungkuratorinnen ihre Auswahl. Auch das Fabulieren ist ein Abenteuer, das eben immer auch im Kopf stattfindet.

Zu dieser Freiheit gehört auch, alle Bilder unter dem Aspekt des Abenteuers zu lesen. Dass die Kunstwerke aber immer ihre eigenen, eigentlichen Horizonte mitbringen, wird in dieser von Assoziationen geleiteten Ausstellung ignoriert. (Michael Wurmitzer, DER STANDARD, 2.12.2014)