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Die ehemalige OGH-Präsidentin Griss präsentiert den Endbericht der Hypo-Untersuchungskommission.

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Wien/Klagenfurt – Das Setting, in dem der Bericht der Hypo-Untersuchungskommission am Montagabend seinen allerletzten Schliff bekam, war durchaus österreichisch. Die fünf nach Wien angereisten Kommissionsmitglieder (Leitung: Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss) trafen einander in einem Lokal im Wiener Hotel Sofitel – und unterschrieben das Dokument bei Rotwein und anderen Getränken.

Der Bericht (untersuchungskommission.at) selbst, der gemäß dem Auftrag des Ministerrats "der Aufklärung der Vorkommnisse rund um die Hypo Group Alpe Adria" dienen soll, ist weniger österreichisch. Auf 344 Seiten erzählt die Kommission, die sieben Monate recherchiert hat, die Geschichte der Bank nach: unverblümt, kompromisslos, schnörkellos und den Finger auf offene Wunden legend.

Versagen auf allen Ebenen

Alle (bis auf einzelne "kleine" Bankmitarbeiter) haben versagt, könnte man das Ergebnis zusammenfassen. Griss präsentierte den Bericht mit ihren Schweizer und deutschen Kollegen, Manuel Ammann, Carl Baudenbacher, Ernst Wilhelm Contzen und Claus-Peter Weber, am Dienstag in einer Pressekonferenz in Wien.

Ob Kärntner Landeshaftung, Kontrolle durch Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsräte, Bankenaufsicht durch Nationalbank und Finanzmarktaufsicht FMA bis hin zur Rolle der Politik vor allem bei der Verstaatlichung Ende 2009 und im EU-Beihilfeverfahren danach: Punkt für Punkt malt die Kommission ihr Bild von den Vorgängen und stellt dabei allen Beteiligten ein miserables Zeugnis aus.

Stichwort FMA: Sie habe die Hypo jedes Jahr geprüft, und "bei einer Bank in diesem Zustand muss man den Verantwortlichen auf die Zehen steigen, damit etwas geschieht", meinte Griss. Die Notenbank bekommt rund um die Gewährung von Partizipationskapital Ende 2008 ihr Fett ab. Damals suchte die Hypo um 1,45 Milliarden Euro Kapital an. Die OeNB unter Ewald Nowotny musste prüfen, ob die Bank "sound" (gesund) oder "distressed" (in Nöten) ist – und gab ihr bekanntermaßen das Urteil "not distressed".

Fehler bei Verstaatlichung ...

"Die OeNB hat einen Ausweg gefunden, den es nicht gibt. Vielleicht war das eine österreichische Lösung, aber keine gute", kommentierte Griss. Die Folge: Die Hypo bekam 900 Millionen Euro an PS-Kapital zu den Bedingungen für eine gesunde Bank (acht statt neun Prozent; sie hat aber sowieso nie gezahlt; Anm.). Vor allem aber musste kein Umstrukturierungsplan vorgelegt werden, ein solcher freilich "hätte die Bank auf ein besseres Gleis gestellt", glaubt Griss.

Bei der Verstaatlichung Ende 2009 attestiert die Kommission Finanzminister Josef Pröll und Staatssekretär Andreas Schieder zwar großen Zeitdruck, aber dennoch gewaltige Versäumnisse. So ging der Umstand unter, dass die BayernLB bei einer Insolvenz der Hypo bis zu acht Milliarden Euro hätten abschreiben müssen. Das hätte wohl für die Münchner selbst Geschäftsaufsicht bedeutet. Mit dieser Information hätte Österreich seine "Verhandlungsposition stärken können", heißt es. Zudem wäre der Abzug von Liquidität im Vorfeld, mit der die Bayern den Druck verstärkt hatten, möglicherweise anfechtbar gewesen.

Zur besagten Nacht der langen Messer im Finanzministerium bemerkte Griss: "Die Bayern hatten eine Strategie. Wo ist das Strategiepapier des Finanzministeriums? Wir haben keines gefunden, darin liegt ein großer Mangel." Vor diesem Hintergrund hätte es Alternativen gegeben, "das war keine Notverstaatlichung". Zudem erinnert der Bericht, dass der Kärntner Beitrag bei der Andienung an die Republik gemessen an den Erlösen aus der Wandelanleihe äußerst dürftig war.

Auch im EU-Beihilfeverfahren nach der Verstaatlichung machten Österreichs Politiker gemäß der Griss-Kommission eine denkbar schlechte Figur. Während andere Regierungen ihre "höchsten Würdenträger nach Brüssel zum Lobbyieren und Antichambrieren schickten", habe sich Österreich "vornehm zurückgehalten". In Zahlen: Prölls Nachfolgerin Maria Fekter ist in der Hypo-Angelegenheit einmal (im März 2013) nach Brüssel gereist

... und danach

Nach der Verstaatlichung änderte sich nichts an den "Fehlleistungen", dafür fehlte die Strategie, meint Griss. Die Aufklärung der Vergangenheit sei zwar richtig gewesen, doch hält die Kommission allein schon den Namen CSI Hypo für "in hohem Maß geschäftsschädigend". Die Konstruktion der Aufarbeitung habe die Umstrukturierung der Bank massiv behindert, die Einmischung der Beamten in die Hypo-Führung sei "international einmalig". Die Restrukturierung sei durch die Vorgänge "massiv behindert" worden.

Zudem haben Bund und Bank laut Kommission eine große Chance vertan, internationale Hilfe zu beziehen. Osteuropabank EBRD und Weltbanktochter IFC waren ab 2010 bereit, sich an Südosteuropa-Banken der Hypo zu beteiligen. Allerdings machten sie im Datenraum höhere Rückstellungen und Risikokosten aus.

Hypo-Vorstand und Finanzministerium lehnten das ebenso ab wie die von den Organisationen geforderte Etablierung einer Abbaubank. Letzter hätte wohl die finanzielle Belastung gesenkt, wurde aber Jahre hinausgezögert. Wer persönliche Schuldzuweisungen oder das "große Mastermind hinter der Hypo" (Griss) in dem Bericht sucht, wird enttäuscht. Die Frage der Verantwortung habe nicht zu ihrer Fragestellung gehört – und Mastermind habe man keines gefunden. (Renate Graber, Andreas Schauder, DER STANDARD, 3.12.2014)