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"Neuaufbau": Das ist eine flexible Zeitspanne.

Foto: AP/Szagola

Verlieren kann auch positive Seiten haben. Das lehren uns viele Prominente aus Funk und Fernsehen, die von der Gewinnerspur gedrängt werden, daraus aber stärker hervorgehen. Und zu Vorbildern werden. Das Gewinnen auf Dauer schädlich sein kann. Irgendwann wird alles einmal langweilig.

Vielleicht schadet es wirklich nicht, mal die Freundin und den Job zu verlieren. Manchmal wartet nämlich der eigentliche Traumjob zusammen mit der Traumfrau gleich um die Ecke. Und wenn nicht, dann kann man sich immer noch abhärten und sein Leben vollkommen neu aufstellen.

Und nebenbei das Image des Verlierers aufpolieren. Das ist es vielleicht, was eine Basketballmannschaft aus der NBA, die Philadelphia 76ers, gerade exerzieren. 17 Niederlagen, null Siege. Sie sind knapp davor, das schlechteste Team der NBA-Geschichte zu werden. Die "Start-Bestmarke" der damaligen New Jersey Nets scheint fällig, die 2009 mit 18 Pleiten loslegten, und auch die längste Niederlagenserie (26 Spiele) überhaupt ist nicht mehr weit weg. Wer die hält? Natürlich die 76ers, gemeinsam mit den Cleveland Cavaliers.

Der Hut brennt nicht in der größten Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania. Spieler und Trainer verdienen (naturgemäß) viel Geld, gehen aber auch gut miteinander um. Einsatz und Wille stimmen. Einige Partien gingen ganz knapp verloren. "Keiner gibt sich auf oder zeigt mit dem Finger auf andere", sagt der Trainer, Brett Brown, der auf seinen 100er zusteuert. Seine Bilanz: 99 Spiele verloren, 19 gewonnen.

Warum auch Panik machen? Die schlechten Ergebnisse sind im Gegensatz zu strauchelnden Vereinen wie den Los Angeles Lakers, Oklahoma City Thunder oder New York Knicks beabsichtigt. Den perversen Zynismus (und die Folter für die letzten Fans der 76ers) bedingen die Regeln der NBA.

Tanking

Beim jährlichen Draft, wo die besten Nachwuchsspieler der Welt ausgewählt werden, darf das schlechteste Team der abgelaufenen Saison meist zuerst zuschlagen. In der Hoffnung mit ein, oder zwei Top-Talenten in naher Zukunft die Sterne vom Himmel zu holen. Kein Klub nützt dieses System derart rigoros aus wie Philadelphia. Das nennt der US-Amerikaner "Tanking". Zuerst einmal den aufgedunsenen Kader entschlacken - für künftige Draftpicks werden junge, billige, nicht übermäßig talentierte Nachwuchsleute verpflichtet. Die 76ers sind das jüngste Team der Liga, nur zwei Spieler haben mehrjährige Ligaerfahrung. Die zuletzt akquirierten Hoffnungsträger waren bzw. sind verletzt (Nerlens Noel, Joel Embiid). Ein weiteres Ass im Ärmel der 76ers steht noch in der Warteschleife: Das 20-jährige kroatische Supertalent Dario Saric spielt mindestens noch eine Saison bei Efes Istanbul in Europa.

Nur ja nicht zu gut spielen, das könnte auch das Motto mancher großer Musikbands sein. Es geht aber noch um die Moral der Geschichte (der Spieler!). Zu viele Niederlagen fressen sich ins Gehirn von Akteuren, Trainern, ja sogar den Handtuchträgern. Es gibt Vereine, ja Länder, die Kulturen des Verlierens etabliert haben. Die Philadelphia 76ers sind aber nicht das San Marino des Fußballs. 1983 war man immerhin zuletzt Meister.

In den Köpfen der NBA-Verantwortlichen schwirren Ideen herum, die Regeln beim Aufrüsten der Teams zu ändern. Damit das Gefälle in der Liga nicht zu groß wird. Reformvorschläge wurde bis dato abgeschmettert. Auch von Seiten Philadelphias. (vet, derStandard.at, 2.12.2014)