Mit dem Smartphone am Bürostuhl können dem Computer Befehle durch Wipp- oder Drehbewegungen des Sessels gegeben werden.

Foto:Media Interactive Lab / FH Oberösterreich

Hagenberg - Die Natur hat den Menschen mit einem leistungsfähigen Bewegungsapparat ausgestattet. Lange Zeit war er die Voraussetzung für das Überleben in einem Umfeld voller Gefahren. Nicht so am Schreibtisch. Dort schreitet die körperliche Degeneration voran, dort entstehen chronische Haltungsschäden, Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Übergewicht.

Aus Oberösterreich kommt ein neuer Ansatz, um die körperlichen Probleme abzuwenden. Das Team rund um Michael Haller vom Media Interactive Lab der Fachhochschule Oberösterreich in Hagenberg wollen Arbeitsplätze gestalten, die ihre Benutzer durch spezielle, mit Sensoren ausgestattete Möbel zu möglichst viel Bewegung animieren.

Im Rahmen des Projekts "Active Office", das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG im Rahmen des Bridge-Programms unterstützt wird, arbeiten die Hagenberger Forscher mit der Medizintechnik der FH OÖ in Linz und dem Unternehmen Aeris Impulsmöbel zusammen. Aeris ist bekannt für seinen "Swopper", ein Bürostuhl, der Bewegungen und Haltungswechsel in allen Richtungen erlaubt.

Der Stuhl ist auch Teil von "Active Office". "Die Idee ist, dass jeder Mitarbeiter sowohl über einen Sitz- als auch einen Stehtisch mit jeweils einen Monitor verfügt", sagt Michael Haller. "Alle zehn bis 20 Minuten soll man hin- und herwechseln." Ähnlich wie eine Fitness-App am Smartphone sollen Sensoren, die unter dem Tisch angebracht sind, erkennen, wie lange die Mitarbeiter sitzen und stehen. Verharrt man zu lange in derselben Position, wird man von der Software darauf aufmerksam gemacht, dass es Zeit ist, wieder einmal zu wechseln.

Mit Fußrollen scrollen

Zusätzlich experimentieren die Entwickler mit verschiedenen weiteren technischen Hilfsmitteln, die dem Büroalltag ein bisschen mehr Bewegung abtrotzen sollen. Rollen unter dem Tisch können mit den Füßen bewegt werden, um damit durch Dokumente oder Homepages am Bildschirm zu scrollen. "Das funktioniert erstaunlich gut", sagt Haller.

Für ihre Ansätze machen sich die Forscher die Sensortechnologie aktueller Smartphones zunutze, die Bewegungen oder Vibrationen gut erkennen können. Angebracht an der Tischunterseite, könnten über ihr Touchdisplay bestimmte Eingaben gemacht werden. Auch der Bürosessel selbst kann als Interface fungieren, um damit im Hintergrund ablaufende Programme zu steuern. Wenn Musik läuft, könnte man etwa mit einer Wippbewegung nach rechts zum nächsten Song springen. Eine Kreisbewegung könnte Stopp bedeuten.

Der ganze Körper soll mit solchen Hilfsmitteln als Eingabegerät eingesetzt werden. Es wäre auch möglich, einen Stoß gegen die Sesselleiste, die eine leichte Erschütterung des Tischs erzeugt, als Eingabebefehl zu verwenden, erklärt Haller. Die Aktionen, die auch von den weiteren Mitarbeitern im Raum wahrgenommen würden, seien ansteckend. Die Bewegungen des einen würden auch andere motivieren, wieder einmal aufzustehen oder die Sitzposition zu verändern.

Eingabe per Handysensoren

Für das Smartphone, das etwa am Sessel montiert ist, um dort Bewegungsinformationen abzunehmen, haben die Entwickler eine eigene Software entwickelt, die auf die Sensordaten zugreift. Daten wie jene des Gyrometers, das Drehbewegungen erkennt, werden automatisch interpretiert und weiterleitet, um sie dann am Computer in eine Aktion umzuwandeln. Zusätzlich wird die Anzahl verschiedener Bewegungen mitgetrackt und ausgewertet.

Haller und Kollegen testen zurzeit mit einem Setup aus 36 Arbeitsplätzen, welche körperlichen Auswirkungen ihr Arbeitsplatzkonzept hat. Den Arbeitgebern, so der Forscher, müsse man noch vermitteln, dass Mitarbeiter auch effizienter sind, wenn sie sich wohlfühlen. Und die Möglichkeit, sich stetig zu bewegen, sei eines der Kriterien für angenehmes Arbeiten. (pum, DER STANDARD, 3.12.2014)