Katrin Plötner inszeniert "Minna von Barnhelm" am Landestheater Niederösterreich. Die Berlinerin mit Abschluss am Salzburger Mozarteum interessiert sich darin auch für die Heimkehrerthematik.

Foto: Christian Fischer

St. Pölten - Deutsche Bundeswehrsoldaten, die aus Kriegsgebieten heimkehren, leiden nicht selten an einer posttraumatischen Belastungsdepression. Darüber gibt es Studien. Heimkehrer haben aber auch sehr langwierige bürokratische Wege zu beschreiten, wenn es um Beschäftigung oder eine Therapie geht. So erzählen es Betroffene im Buch Operation Heimkehr. Regisseurin Katrin Plötner hat sich damit im Vorfeld ihrer St. Pöltner Inszenierung von Minna von Barnhelm befasst.

Die Sätze des Major von Tellheim, der sich nach dem Krieg in einem entlegenen Gasthaus verkriecht, weil er unehrenhaft entlassen wurde und von dort aus seine Rehabilitierung betreibt, ähneln denen der Soldaten von heute, so Plötner im Standard-Gespräch: "Sie sagen, ich stehe das jetzt hier durch und bringe diesen Papierkrieg zu Ende!"

Die 29-jährige Berliner Theaterregisseurin hat jedenfalls alle Hände voll zu tun, das 1763 uraufgeführte Lustspiel Gotthold Ephraim Lessings ins Heute zu transferieren. Das Paradestück der deutschen Aufklärung gilt den einen als unspielbar, weil zu sehr im zeitgeschichtlichen Korsett und dessen Ehrbegriffen verhaftet, den anderen hingegen als veritables Emanzipationsstück, in dem eine Frau sich das holt, was sie will: den Mann, der ihr ein Eheversprechen gab, der sich aber ziert, dieses einzulösen.

Theater heute zählte Plötner 2012 zu den drei wichtigsten Absolventen am Mozarteum Salzburg aus den letzten zehn Jahren. Es folgten Stipendien und Auszeichnungen und Aufträge aus ganz Deutschland, etwa vom Theater Regensburg, Staatstheater Karlsruhe oder vom Münchner Residenztheater. Am Landestheater Niederösterreich hat sie zuletzt Corneilles Horace verantwortet.

Sprache belassen

Plötner geht mit Respekt an die jeweiligen Arbeiten heran. "Mich interessiert es sehr, die Sprache bei dem zu belassen, wie sie ist, soweit ich ihr folgen kann, sie verstehen kann." Die aus der Zeit gefallene Anrede "Frauenzimmerchen", wie sie Tellheims ehemaliger Wachtmeister, Paul Werner, mit Vorliebe verwendet, bleibt folglich erhalten. Dies sei einfach nur flirten, so Plötner.

Dennoch stand Plötner dem Text anfangs recht ratlos gegenüber, wie sie einräumt. "Tatsächlich muss man sehr darum kämpfen, aus Minna und ihrer Zofe Franziska moderne Frauen zu machen. In der damaligen Zeit ist es vielleicht revolutionär gewesen, einem Mann hinterherzufahren. Heutiger aber finde ich den deutlichen Egoismus der Figuren. Auch Tellheim will Minna ja unbedingt ,besitzen', sobald er glaubt, sie wäre ihm finanziell gleichgestellt. Modern ist auch deren Einsamkeit und Vereinzelung: Die beiden können einander gar nicht verstehen."

Weiter: "Ich möchte es schaffen, eine autonome Frauenfigur zu zeigen und dass das nichts mit Konventionsdruck oder einem Prinzessinnen-Syndrom zu tun hat."

Bereits als Teenager war für Katrin Plötner klar, dass es zum Theater geht. Der Kulturschock, der ihr beim Umzug vom Plattenbau in Marzahn in die Idylle von Köpenick widerfuhr, katapultierte sie ins Theater. Mit der Truppe der "Alten Möbelfabrik" ist sie schon als 13-Jährige durch Europa getourt und hat dabei gemerkt, dass ihr das Regieführen mehr liegt als das Spielen. Nach dem Abitur war es dann das Mozarteum Salzburg, das als erste Universität dazu bereit war, eine so junge Regiestudentin aufzunehmen.

Es kann heute immer noch passieren, dass Katrin Plötner mit ihrem Bühnenbildner verwechselt wird. Man geht eben davon aus, dass der Mann der Regisseur sein muss und nicht umgekehrt. "Ich gehöre aber der Generation an, die schon viel vorbereitet bekommen hat", sagt sie. Plötner hat auch von Vorgängerinnen gehört, die Südseereisen vorgetäuscht haben sollen, um heimlich ihr Kind zu kriegen, oder die während der Proben nach der Stechuhr gestillt haben. Bei der Gage ist es heute noch ratsam, die männlichen Kollegen zu fragen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD, 3.12.2014)