Die Assemblée Nationale, das französische Parlament, hat am Dienstagabend mit 339 gegen 151 Stimmen eine Resolution zur Anerkennung des Staates Palästina angenommen. Sie war von der sozialistischen Fraktion fast geschlossen eingebracht worden; auch die Grünen und die Kommunisten unterstützten sie. Die bürgerliche Oppositionspartei UMP und der rechtsextreme Front National (FN) lehnten sie hingegen mit wenigen Ausnahmen ab. Die Resolution nennt als Grund das "Scheitern der Versuche zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses" zwischen Israelis und Palästinensern und kritisiert die "illegale Fortsetzung der Kolonisierung der palästinensischen Gebiete". Der sozialistische Fraktionschef Bruno Le Roux erklärte in der schon am Freitag beschlossenen Debatte: "Unsere Initiative ist eine Antwort auf die diplomatische Blockade."
Das Hauptargument der Gegenseite lautete, die internationale Gemeinschaft dürfe das Druckmittel eines Palästinenserstaates nicht aus der Hand geben, solange nicht alle Palästinensergruppen das Existenzrecht Israels anerkennten. Vertreter der jüdischen Gemeinschaft Frankreichs - der größten Europas – warfen den Sozialisten unumwunden vor, "wahlpolitische" Rücksichten auf die mehreren Millionen Muslime im Land zu nehmen. Der FN-Abgeordnete Gilbert Collard unterstellte der Ratslinken, "die Hamas und die Terroristen zu umarmen".
"Einladung" an die Regierung
Dass auch diese Nahostdebatte in ein hitziges Wortgefecht mündete, liegt nicht zuletzt an der hochgradigen, aber unausgesprochenen sozialen Brisanz der Immigranten- und Banlieue-Ghettos. Umso vorsichtiger beschränkt sich die Resolution der Sozialisten auf eine bloße "Einladung" an die – eigene – Regierung, Palästina anzuerkennen. Laut französischer Verfassung ist die Exekutive für die Außenpolitik zuständig. Präsidenten wie Charles de Gaulle und François Mitterrand hörten nie auf das Parlament.
Fabius will noch "letzten Versuch"
Jetzt machte auch Außenminister Laurent Fabius in der Parlamentsdebatte klar, dass sich seine Regierung nicht an die Abstimmung gebunden fühlt – zumal der Senat als Zweitrat keine linke Mehrheit hat und erst am 11. Dezember über die Palästina-Resolution befinden wird.
Frankreich wolle seinen diplomatischen Einfluss im Nahen Osten weiter mit eigenen Initiativen geltend machen, stellte Fabius klar. Seine Diplomaten arbeiten derzeit an einer Resolution im UN-Sicherheitsrat, um die Nahostverhandlungen wieder in Gang zu bringen. Sollte dieser "letzte Versuch" in den nächsten zwei Jahren nicht zum Ziel führen, wird Frankreich laut Fabius "Verantwortung übernehmen müssen, indem es ohne Verzug den Staat Palästina anerkennt".
Während der palästinensische Abgeordnete Mustafa Barghuti die französische Entscheidung in Paris begrüßte, bezeichnete der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die Resolution als schweren Fehler. Schweden hatte Palästina vor wenigen Wochen als erstes westliches EU-Land anerkannt. Die Parlamente Englands und Spaniens verabschiedeten zuletzt ähnliche Resolutionen wie die französische Nationalversammlung. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Langfassung, 3.12.2014)