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Glücksspiel bringt Betreibern hohe Einnahmen und Ländern hohe Steuergelder. Entsprechend hart wird der Konflikt um Wiens Verbot ausgetragen.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Frage: Vergangene Woche wurde das Verbot des kleinen Glücksspiels im Wiener Gemeinderat beschlossen. Was bedeutet das?

Antwort: Ab 1. Jänner 2015 ist das Betreiben von Spielautomaten außerhalb von Kasinos untersagt. Spielautomaten, die nach dem Jahreswechsel etwa in Gaststätten oder Wettbüros stehen, sind ab diesem Zeitpunkt illegal - obwohl der Stadt, wie kolportiert wird, dadurch jährlich 55 Millionen Euro an Steuereinnahmen entgehen. Ein klares Verbot wurde nicht beschlossen, sondern vielmehr nur der Begriff "Münzgewinnspielapparate" aus dem Veranstaltungsgesetz gestrichen, womit laut Experten alle Konzessionen mit Jahresende 2014 automatisch erlöschen. Nun gibt es unterschiedliche Auffassung darüber, ob die neue Regelung rechtlich hält. Denn etliche Konzessionen wurden ursprünglich über das Jahr 2014 hinaus erteilt. Laut dem Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SP) sind rund 2900 Automaten (900 Konzessionen) betroffen, die aber nicht alle von der Firma Novomatic betrieben werden.

Frage: Was sagen die anderen Spielautomateninhaber zu der Wiener Gesetzesänderung?

Antwort: Wie Novomatic kündigen auch sie im Fall von Automatenbeschlagnahmungen Klagen an. Laut der Finanzpolizei sind solche Maßnahmen ab Jänner in Wien nicht unwahrscheinlich.

Frage: Warum kritisieren Verfassungsexperten die neue Regelung?

Antwort: Weil es - so etwa Verfassungsrechtler Bernhard Raschauer - verfassungswidrig sei, "rechtskräftige und aufrechte Konzessionsbescheide" durch eine Gesetzesänderung zu untersagen. Ein solches Verbot verstoße gegen die Erwerbs- und Niederlassungsfreiheit und stehe dem Recht auf Eigentum entgegen. Im Auftrag von Novomatic hat Raschauer ein Gutachten erstellt. Auch der nicht im Firmenauftrag agierende Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk räumt einer Klage gegen das Wiener Spielautomatenverbot beim Verfassungsgerichtshof Erfolgschancen ein. Um haltbar zu sein, müssten einer solchen Gewerbefreiheitsbeschränkung stärkere öffentliche Interessen als im konkreten Fall entgegenstehen.

Frage: Wie kam es zu dem Verbot?

Antwort: Das Aus des kleinen Glücksspiels wurde beim Parteitag der SPÖ Wien 2011 besiegelt. Eine knappe Mehrheit stimmte für den von der Sektion 8 eingebrachten Antrag. Auch die Grünen setzten sich jahrelang für das Ende des kleinen Glücksspiels ein.

Frage: Warum wurde das kleine Glücksspiel überhaupt verboten?

Antwort: Alleine in Wien gibt es bis zu 50.000 akut Spielsüchtige und Spielsuchtgefährdete. In Wien ist der Anteil der Betroffenen höher als in anderen Bundesländern. Laut der Studie "Glücksspiel und Spielerschutz in Österreich" aus dem Jahr 2011 - durchgeführt vom Hamburger Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung im Auftrag der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft Suchtvorbeugung - wird Spielautomaten im Vergleich zu klassischen Lotterieprodukten ein besonders starkes Suchtpotenzial zugeschrieben.

Frage: Wie ist die gesetzliche Regelung in anderen Bundesländern?

Antwort: In Salzburg, Tirol und Vorarlberg gibt es ein eindeutiges landesgesetzliches Verbot des kleinen Glücksspiels. Legal ist es weiterhin in Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten, dem Burgenland und Oberösterreich.

Frage: Warum ist der Umgang mit dem kleinen Glücksspiel nicht bundesgesetzlich geregelt wie etwa der Kasinobetrieb?

Antwort: Weil es vor der Glücksspielgesetzesnovelle 2010 in verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedliche Zugänge zum kleinen Glücksspiel gab - was vielfach auch gezieltem Lobbyismus der Firma Novomatic zugeschrieben wurde. Seit 2010 ist der Umgang mit Spielautomaten Ländersache, doch nur in fünf Ländern wurde inzwischen ein entsprechendes Rahmengesetz verabschiedet. In Wien zum Beispiel nicht - und dieser Umstand ist nun ein gewichtiges rechtliches Argument der Verbotsgegner.

Frage: Was sagen die in Wien Verantwortlichen zu der Ankündigung von Novomatic, klagen zu wollen?

Antwort: Sima beruft sich auf den Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts und jenen der Stadt. Beide gingen davon aus, dass die Rechtskonstruktion korrekt sei und auch vor dem Verfassungsgerichtshof halten werde. Auch David Ellensohn von den Grünen zeigte sich unbeeindruckt: "Wir lassen uns von den Drohungen der Novomatic nicht einschüchtern und sehen etwaigen Klagen gelassen entgegen." (Irene Brickner, Rosa Winkler-Hermaden, DER STANDARD, 3.12.2014)