Die Regierung scheiterte im Parlament mit ihrem Budgetvorschlag.

Stockholm – Zwei Monate nach ihrem Amtsantritt kämpft die rot-grüne schwedische Regierung unter Ministerpräsident Stefan Löfven um ihr Überleben. Bei der Abstimmung über den Haushalt 2015 verlor ihr Vorschlag gegen den der bürgerlichen Opposition. Löfven kündigte umgehend Neuwahlen an, die am 22. März stattfinden werden.

Die Regierungskrise ist ein Faktum, und die konsensliebenden Schweden fragen sich verwirrt, wie es so weit kommen konnte. Die Schuldigen sind schnell gefunden: Es sind die einwanderungsfeindlichen Schwedendemokraten, die für den Oppositionsentwurf stimmten – und zwar nicht, wie sie selbst einräumen, weil sie ihn so gut fanden, sondern weil sie ganz bewusst eine Krise herbeiführen wollten. "Wir werden versuchen, jede Regierung zu stürzen, die mehr Einwanderung unterstützt und den Grünen erheblichen Einfluss auf die Migrationspolitik zugesteht", erklärte der Fraktionsvorsitzende Mattias Karlsson, der seit der Krankschreibung Jimmie Åkessons wegen Burnouts auch als kommissarischer Parteivorsitzender fungiert.

Den Vorwurf unverantwortlichen Handels wies Karlsson weit von sich: "Nicht wir schaffen Chaos, sondern Stefan Löfven, der sich weigert, mit Schwedens drittgrößter Partei zu reden."

Das ist der wunde Punkt der Schwedendemokraten. Obwohl sie bei den Wahlen im September 13 Prozent der Stimmen erzielten, sind sie nach wie vor der parlamentarische Paria. Bei keiner Partei finden sie Gehör für ihr Hauptthema, die Begrenzung der Einwanderung. "Deshalb waren wir diesen Schritt unseren Wählern schuldig", meint Karlsson.

Zwei Optionen für Löfven

Noch-Ministerpräsident Stefan Löfven bleiben jetzt zwei Optionen: Rücktritt oder Neuwahl. Bei einem Rücktritt ist es durchaus möglich, dass Löfven mangels Alternativen erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Die Lage im Parlament ist verzwickt. Weder das linke noch das rechte Lager verfügen über eine eigene Mehrheit. Das ist in Schweden, wo Minderheitsregierungen eher die Regel als die Ausnahme sind, eigentlich nichts Neues. Neu ist allerdings die Rolle der Schwedendemokraten als Zünglein an der Waage.

"Ein solches Szenario hat es in der Geschichte Schwedens noch nie gegeben", betont Malena Rosén Sundström, Politologin an der der Universität Lund, gegenüber der Zeitung "Dagens Industri". "Natürlich gab es auch schon früher Regierungskrisen, aber da waren es immer die Roten gegen die Blauen." In der Regel einigte man sich dann in Sachfragen über die Parteigrenzen hinweg, doch das funktioniert nicht mehr.

Versuch der Kooperation

Immer wieder hatte Sozialdemokrat Löfven in den vergangenen Wochen seine Hand in Richtung Opposition ausgestreckt und immer wieder eine Abfuhr erhalten. Ob das am mangelnden Verhandlungsgeschick des Ministerpräsidenten liegt oder an der parlamentarischen Lage im Allgemeinen, die die Zeitung "Expressen" als "parlamentarisches Golgatha" beschrieb, darüber streitet man in Schweden.

Anzeichen dafür, dass Löfvens Kreuzweg bald ein Ende hat, gibt es bislang aber nicht. Anna Kinberg Batra, Fraktionsvorsitzende der Konservativen und aussichtsreichste Kandidatin für die Nachfolge von Ex-Ministerpräsident Reinfeldt als Parteichefin, erklärte bereits: "Wir denken nicht daran, unsere Politik aufzugeben, um Stefan Löfven zu retten." (Karin Häggmark aus Stockholm, DER STANDARD, 4.12.2014)