Eine Erklärung von Israels Premier Benjamin Netanjahu vor der Presse war am Dienstagabend der Gongschlag zu einem Wahlkampf, dessen erste Momente durch wechselseitige grobe Angriffe der bisherigen Koalitionspartner geprägt waren. Kurz zuvor hatte Netanjahu die Chefs der beiden liberalen Regierungsparteien, Finanzminister Yair Lapid und Justizministerin Zipi Livni, aus ihren Ämtern entlassen.
"Der Finanzminister, der beim Management der Wirtschaft gescheitert ist, verbündet sich im finsteren Kämmerlein mit der Justizministerin, um gegen die Regierung und gegen die Person an ihrer Spitze zu agieren - mit einem Wort: Das nennt man Putsch", begründete Netanjahu seinen Schritt. Neuwahlen seien unvermeidlich geworden, denn "mit der gegenwärtigen Regierung ist es unmöglich, das Land zu führen".
Die nun zu Ende gehende Regierungsperiode ist eine der kürzesten in der Geschichte Israels. Am Mittwoch einigten sich die Parlamentsfraktionen sehr rasch auf den Wahltermin am 17. März.
Rumpfregierung
Vorläufig bleibt eine Rumpfregierung im Amt, denn im Gefolge der Entlassung Lapids erklärten auch die vier anderen Minister von dessen Partei "Es gibt eine Zukunft" ihren Rücktritt. Livni, deren kleine Partei "Die Bewegung" laut ersten Umfragen nach den Wahlen vielleicht nicht mehr im Parlament vertreten sein wird, schoss sich indessen mit ungewöhnlich scharfen Formulierungen auf Netanjahus Person ein. "Die Wahrheit hinter seinen hysterischen Worten ist, dass wir einen Premierminister haben, der Angst hat, vor seinen Ministern und noch mehr vor der Außenwelt, aber politisch fürchtet er sich noch mehr vor den Extremisten im Likud und in der Regierung." Vergleichsweise zahm klang da Oppositionschef Jizchak Herzog von der Arbeiterpartei: Er sprach von Netanjahus "Auftritt der Weinerlichkeit" und einer "Gelegenheit, den Premier auszutauschen und den Staat in eine andere Richtung zu lenken".
Einer Umfrage zufolge wird die Arbeiterpartei im 120-köpfigen Parlament auf magere zwölf Mandate kommen. Netanjahus Likud würde mit 22 Mandaten wieder stärkste Partei. Die siedlernahe Rechtspartei "Das Jüdische Heim" würde mit 17 Mandaten auf Platz zwei vorstoßen, während für die Partei Lapids, die bei den Wahlen 2013 mit 19 Mandaten die große Sensation war, nur noch neun Mandate prognostiziert werden. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, DER STANDARD, 4.12.2014)