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Maria Sawinowa mit ihrem Trainer Wladimir Kasarin nach ihrem Goldlauf über 800 Meter in London 2012. Nun spricht die Olympiasiegerin über Anabolika-Doping.

Foto: ap/lee

Köln – Eine ARD-Dokumentation liefert Belege für staatlich unterstütztes Doping und massive Korruption im russischen Sport. In der Sendung "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" des Reporters Hajo Seppelt geraten auch der Internationale Leichtathletikverband (IAAF) und dessen russischer Schatzmeister durch zahlreiche Zeugenaussagen und belastende Dokumente unter Druck.

Entscheidende Kronzeugen in der Dokumentation sind Julia Stepanowa, derzeit wegen Dopings gesperrte 800-Meter-Läuferin, und ihr Mann Witali Stepanow, zwischen 2008 und 2011 Mitarbeiter der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA. Beide sollen infolge ihrer gegenüber der ARD getätigten Aussagen mittlerweile ihr Heimatland verlassen haben.

"Man kann seine Ziele nicht ohne Doping erreichen. Du musst dopen, so läuft es in Russland", sagte Stepanow. Seine Frau berichtete von angeblich gängigen und flächendeckenden Dopingpraktiken: "Wenn einer erwischt wird, schmeißen sie den Sportler weg und nehmen einen neuen." Eine der zentralen Figuren des russischen Dopingsystems soll der Sportmediziner Sergej Portugalow sein.

Versteckte Kamera

Stepanowa untermauerte ihre Aussagen mit zahlreichen Videoaufzeichnungen, die sie mit versteckter Kamera angefertigt hatte und die die Verstrickungen zahlreicher Topfunktionäre belegen, unter anderem von Leichtathletik-Cheftrainer Alexej Melnikow. Die jüngste, erst wenige Tage alte Aufnahme zeigt anscheinend, wie Stepanowas Trainer ihr verbotene Anabolika anbietet. Die Sperre der Athletin läuft im Jänner aus.

In einem der WDR-Dopingredaktion zugespielten Handyvideo soll zudem die 800-Meter-Olympiasiegerin von London 2012, Maria Sawinowa, zu sehen sein, wie sie unter anderem über Anabolika-Doping berichtet. Die Diskuswerferin Jewgenia Pescherina sagte vor der Kamera: "Die meisten Athleten dopen, der größte Teil, 99 Prozent. Und man bekommt alles. Je kürzer nachweisbar, desto teurer das Präparat."

Der ehemalige RUSADA-Mitarbeiter Stepanow gab an, dass staatliche Stellen die Tests der Anti-Doping-Agentur unter Kontrolle hätten. Sein Vorwurf: Unbekannte Sportler dürfen überführt werden, große Namen hingegen nicht. RUSADA-Generaldirektor Nikita Kamajew wies die Vorwürfe zurück.

Um im Ausland vor Kontrollen geschützt zu sein, sollen Athleten unter falschem Namen gereist sein. Vor großen Wettkämpfen sollen nur russische Sportler ausreisen dürfen, die zuvor in flächendeckenden Tests nicht auffällig geworden sind.

450.000 Euro für Olympia-Teilnahme

Zudem erklärte Lilia Schobuchowa, jahrelang eine der weltbesten Marathonläuferinnen und derzeit ebenfalls wegen Dopings gesperrt, vor laufender Kamera, dass sie sich durch eine Zahlung von umgerechnet 450.000 Euro ihren Start bei den Olympischen Spielen 2012 in London erkauft habe. Zu diesem Zeitpunkt sollen dem russischen Verband bereits ihre extrem auffälligen Blutwerte der Jahre 2009 bis 2011 vorgelegen sein, die der Weltverband IAAF als Dopingverstoß gewertet, aber nicht geahndet haben soll.

Schobuchowa behauptet, dass einer der russischen Cheftrainer, Alexej Melnikow, das Geld für ihre Reinwaschung forderte: "Wir gaben das Geld ab, und man sagte uns: Alles wird gut werden." 300.000 Euro soll der russische Verband mittlerweile über eine Briefkastenfirma zurückgezahlt haben. Dokumente sollen belegen, dass auch der russische Verbandschef und IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschew von den Vorgängen Kenntnis hatte.

David Howman, Generaldirektor der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, bezeichnete die in der Dokumentation aufgezeigten Vorgänge als "fürchterlich schockierend. Was wir nun machen müssen, ist, diese Dinge furchtlos anzugehen, aber auch sicherzustellen, dass die, die schon furchtlos waren, beschützt werden." (sid, 3.12.2014)