Erfinder mit Sehnsucht: Sebastian Koch als Alfred Nobel und Birgit Minichmayr als Bertha von Suttner.

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STANDARD: Im Film geht es um die Beziehung Bertha von Suttners mit Alfred Nobel, den Sie spielen. Wo erlauben Sie sich in der Darstellung historischer Figuren künstlerische Freiheit?

Koch: Ich gehe sehr intuitiv vor. Klaus Mann zum Beispiel habe ich sicher romantischer gespielt, als er war. Aber das ist eben meine Interpretation. Alfred Nobel trägt auch diese Sehnsucht, diese Einsamkeit in sich. Trotzdem wirkt er, als sei er mit dem Kosmos verbunden.

STANDARD: In Zukunft wird man beim Bild Alfred Nobels vermutlich Ihr Gesicht sehen. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Koch: Ich glaube, ich bin in meiner Arbeit ein sehr gründlicher Mensch. Ich recherchiere viel und lerne so die Figuren kennen. Als ich bei der Premiere der Autorin Esther Villar begegnete, umarmte sie mich und sagte: "Endlich hat dieser Nobel ein Gesicht."

STANDARD: Sind Sie mit dem Kosmos verbunden?

Koch: Ja. Das ist ein Geschenk. Es klingt zwar etwas dramatisch, aber ich fühle mich verbunden.

STANDARD: Dann sind Sie im richtigen Beruf? Schauspielerisches Talent nennt man oft Gottesgeschenk?

Koch: Es ist ein großes Geschenk, dass ich meine Rollen auswählen kann. Dafür bin ich sehr dankbar. Schauspielen war für mich immer der richtige Beruf. Es gab gar keine andere Möglichkeit.

STANDARD: Der deutsche Fernsehfilm hatte zwischen 2000 und 2005 eine Blütezeit mit Filmen wie "Die Manns", "Speer", "Der Tunnel". Das scheint vorbei. Woran liegt's?

Koch: Zum einen, weil das Kino damals nicht so viel zu bieten hatte. Das Fernsehen hatte mehr Geld und traute sich in Nischen zu gehen, auch scheinbar unpopuläre Stoffe zu verfilmen. Eine aufwändige Semidoku wie Speer wäre heute nicht mehr denkbar. Dabei hieß es lange Zeit, historische Stoffe funktionieren nicht. Erst mit Heinrich Breloers Todesspiel waren diese Themen gefragt. Heute haben wir ein bisschen Historie, viel Computertechnologie, eine Dreiecksliebesgeschichte - und fertig ist das Eventfernsehen.

STANDARD: Nach vier Jahren Ausland spielen Sie nun wieder im deutschen Fernsehen. Wieso?

Koch: Fernsehen erreicht ein größeres Publikum, und natürlich drehe ich sehr gerne in meiner Sprache. Internationale Filme wie Albatros, Suspension of Disbelief oder God Loves Caviar habe ich sehr gern gemacht, aber oft werden sie hier nicht im Kino gezeigt.

STANDARD: Wie sieht für Sie der perfekte Drehtag aus: Text intus, keine Fehler?

Koch: Wieso keine Fehler? Fehler müssen erlaubt sein, nur so kann man Neues entdecken. In der Vorbereitung versuche ich, möglichst genau zu sein, um dann beim Drehen alles zu vergessen, um mit der Unperfektion des ersten Moments die Szene zu spielen.

STANDARD: Sind Sie am ersten Drehtag nervös?

Koch: Ja, furchtbar. Der erste Drehtag ist wie eine Premiere, und das ist immer wieder aufregend. Der Seewolf - mein erster großer Film auf Englisch - war eine Herausforderung. Ein Schiff zu leiten - wenn die ersten Befehle übers Deck schallen -, das muss sitzen. Da kann man nicht tun, als ob.

STANDARD: Sie wissen schon am ersten Tag, ob ein Film etwas wird oder nicht?

Koch: In der Regel ja. So was spürt man sehr schnell. Man versucht das noch hinzubiegen, aber manchmal geht es eben nicht. Dann gibt es andere Wege, trotzdem das zu schützen, was man sich erarbeitet hat.

STANDARD: Was muss passieren, damit Sie grantig werden?

Koch: Das geht schnell. Wenn es nicht passt, bin ich niemand, der so tut, als ob alles in Ordnung wäre. Dann kracht es eben mal.

STANDARD: Gelten Sie als schwierig?

Koch: Was ist schwierig? Ich horche immer auf, wenn es heißt, jemand ist schwierig. Dann weiß ich meistens, mit dem komm ich gut klar. Schwierig heißt in unserer Verpackungsgesellschaft meistens, dass einer sagt, was er denkt. (Doris Priesching, DER STANDARD, 4.12.2014)