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Ein österreichischer Smartphone-Nutzer, der sich auf Urlaub im EU-Ausland eine App herunterlädt, wird für Telekombetreiber und App-Anbieter zu einer steuerlichen Herausforderung

dpa

Wien - Im Grunde klingt es ganz einfach: Ab 1. Jänner 2015 wird die Mehrwertsteuer für grenzüberschreitende Telekom-, Online- und andere elektronische Dienstleitungen in der EU - wie jetzt schon beim Versandhandel - in jenem Land eingehoben, in dem der Kunde seinen Aufenthalt hat. Damit kleine Unternehmen, die etwa Apps anbieten, sich nicht mit den Steuerbehörden in 28 EU-Staaten herumschlagen müssen, wird ein Mini-One-Stop-Shop (Moss) eingerichtet: Man liefert die Mehrwertsteuer im eigenen Land ab und teilt vierteljährlich der Behörde mit, wohin man für welche Erlöse seine Dienstleistungen hinverkauft hat. Moss gibt dann die Steuer am diese Länder weiter.

Aber so einfach ist die Sache nicht, sagt Gerald Dipplinger, Umsatzsteuerexperte bei PwC. Denn der Anbieter muss zuerst herausfinden, wo sein Kunde eigentlich sitzt. Das geht über IP-Adresse, Rechnungsadresse, Mobilfunkländercode oder auch Bankdaten. "Aber wenn jemand in Spanien Urlaub macht und in der Hotellobby sich ein App herunterladet, wo ist dann der Leistungsort?", fragt Dipplinger. Den Kunden zu fragen tun Anbieter ungerne, weil viele den Kaufvorgang abbrechen, wenn sie zu viel ausfüllen müssen.

Getrennte Nachweise erbringen

Die EU-Verordnung sieht vor, dass ein Anbieter für die Feststellung des Aufenthaltsortes zwei getrennte Nachweise erbringen muss, die sich nicht widersprechen dürfen. Hat er zwei Nachweise, die auf ein Land hindeuten und zwei auf ein anderes, darf er es sich aussuchen. Erschwerend ist, dass die Nachweise zehn Jahre lang aufgehoben werden müssen. "Wer weiß, ob die Daten dann noch lesbar sind", fragt sich Dipplinger.

Das nächste Problem stellt sich bei Lieferketten - etwa wenn ein App über ein AppStore gekauft wird, aber die Zahlung an den Mobilfunkbetreiber erfolgt. Trotz fünfjähriger Vorbereitung gibt es hier in der EU keine einheitliche Auslegung: Während Österreich und Deutschland das involvierte Telekomunternehmen als Dienstleister betrachten, sagt die EU-Kommission, dass eine reine Zahlungsabwicklung keine Involvierung darstellt. Die hierzulande praktizierte "Branchenlösung widerspricht eigentlich dem EU-Umsatzsteuerrecht", warnt Dipplinger. Detail am Rande: Während beim iPhone iTunes der Verkäufer ist, sieht sich das Android-AppStore nur als Vermittler zum App-Anbieter.

Offen ist auch, ob Dienstleistungen brutto oder netto angeboten werden. Bei Bruttopreisen spielen die unterschiedlichen MwSt-Sätze in der EU (siehe Grafik) keine Rolle, nur die Gewinne sind unterschiedlich. Bei Nettopreisen könnte es sich für Kunden auszahlen, den Aufenthaltsort zu verschleiern. "In Einzelfällen ist die Entdeckungswahrscheinlichkeit sehr gering", meint Dipplinger.

Prüfung aus dem Ausland

Problematischer ist es, wenn die Finanz den Unternehmer prüft, ob er die Steuer richtig abgeführt hat. Diese Anfragen können in Zukunft per E-Mail in fremder Sprache aus anderen EU-Staaten kommen. Dipplinger rät dringend dazu, solche Mails nicht zu ignorieren, sondern zumindest durch ein Übersetzungsprogramm laufen zu lassen. Anders als bei inländischen Umsätzen, bei denen Umsatzsteuer erst am einem Jahresumsatz von 30.000 Euro verrechnet werden muss, sind grenzüberschreitende Transaktionen schon ab dem ersten Euro mehrwertsteuerpflichtig.

Wer in diesem Bereich Fehler macht, muss dringend eine Selbstanzeige einbringen. Das Problem: Diese sind seit 1. Oktober 2014 mit einem Strafaufschlag belegt, der ab 200.000 Euro Steuernachzahlung 30 Prozent beträgt. "Bei der Umsatzsteuer ist dies schneller erreicht, als bei der Einkommenssteuer", sagt Dipplinger. Er sieht gerade bei solchen Fehlern die häufigste Ursache von Selbstanzeigen.

Zumindest Steuerberater sind durch das Beraterprivileg geschützt, aber nur bei leichter und nicht bei grober Fahrlässigkeit. "Gerade bei der Umsatzsteuer ist man rasch bei grober Fahrlässigkeit, da gibt es keine klare Abgrenzung", warnt Dipplinger. (Eric Frey, DER STANDARD, 4.12.2014)