Untersuchungskommissionsvorsitzende Irmgard Griss will ganz bewusst keine Schuldigen für den Hypo-Skandal beim Namen nennen. Doch wenn man ihren Bericht durchliest, springt einem eine – nicht genannte – Person ins Auge, der ihr besonderer Zorn gilt. Das ist Wolfgang Peschorn, der Leiter der Finanzprokuratur, des "Anwalts der Republik".
In zwei Phasen hat Peschorn eine Schlüsselrolle gespielt. Er war der einzige Rechtsberater von Finanzminister Josef Pröll bei den Verstaatlichungsverhandlungen mit der BayernLB im Dezember 2009, der Kaufvertrag wurde mit der Finanzprokuratur abgeschlossen. Und er leitete von 2010 bis 2012 die "CSI Hypo", die straf- und zivilrechtliche Verfehlungen in der Bank in der Vergangenheit aufklären sollte.
Während der Bericht andere Fehlentwicklungen in der Hypo-Affäre – von den Kärntner Landeshaftungen unter Jörg Haider bis zur Verschleppung der Bad Bank unter Maria Fekter – relativ pauschal abhandelt, geht er bei diesen beiden Episoden ins Detail und spart dabei nicht mit vernichtender Kritik.
Kritische Rechtsfragen ignoriert
Der Vorwurf, dass die Regierung in die Verhandlungen mit den Bayern ohne Strategiepapier hineingegangen ist, richtet sich wohl vor allem gegen Pröll und sein Kabinett. Aber dann listet der Bericht zahlreiche Punkte auf, bei denen kritische Rechtsfragen einfach ignoriert wurden.
So wurden für die Verhandlungen entscheidende Informationen über den Zustand der Bank nicht beschafft, auf Gewährleistungsklauseln im Vertrag verzichtet und etwa eine Darlehenskündigung durch die BayernLB anerkannt, die man hätte hinterfragen müssen.
Diese Punkte fallen auch in den Aufgabenbereich des beratenden Anwalts. Laut Griss wurde hier miserabel gearbeitet – was den Steuerzahler Milliarden gekostet haben könnte.
"CSI Hypo" als Störfaktor
Und in den zwei Jahren, in denen Peschorn die "CSI Hypo" zur Aufarbeitung der Vergangenheit leitete, hat diese nach Einschätzung der Kommission durch ständige kleinliche Einmischungen die Umstrukturierung der Bank massiv behindert. Auch das hat die Kosten der Hypo-Affäre stark in die Höhe getrieben, lässt sich aus dem Bericht schließen.
Der Griss-Bericht bekräftigt eine Einschätzung, die ich in meinem Blog schon zu Jahresanfang getätigt habe ("Manchmal braucht man gute Anwälte") und die von Teil der Anwalts- und Bankencommunity geteilt wird.
Verantwortung von sechs Finanzministern
Aber man kann die Versäumnisse der Finanzprokuratur nicht Peschorn allein in die Schuhe schieben. Er ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern hat sein Amt und seine Kompetenzen aus der Hand von sechs Finanzministern erhalten.
Peschorn wurde 2006 von Karl-Heinz Grasser eingesetzt und erhielt 2008 von Wilhelm Molterer durch ein neues Finanzprokuraturgesetz zusätzliche Macht. Josef Pröll stützte sich 2009 bei den wichtigsten Verhandlungen seiner Ministerschaft auf ihn, Maria Fekter und Michael Spindelegger behielten ihn bei, und auch Hans Jörg Schelling ließ ihn zumindest in den ersten Monaten seiner Amtszeit gewähren. Eine Folge davon waren die verpatzten Verhandlungen rund um den Verkauf der Hypo-Osteuropatöchter, an denen Peschorn wieder beteiligt war.
Wie lange Peschorn noch die Regierung in der Causa Hypo beraten wird, ist offen. Aber seine Arbeit ist die Folge politischer Entscheidungen. Bei der Aufarbeitung der politischen Verantwortung durch einen U-Ausschuss sollten auch diese beleuchtet werden. (Eric Frey, derStandard.at, 4.12.2014)