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Der letzte Akt der Demontage Wolfgang Büchners als "Spiegel"-Chefredakteur ist durch. Der ehemalige Chef der Nachrichtenagentur dpa amtierte erst seit rund einem Jahr.

Foto: APA/epa/Kapeller

Hamburg - Jetzt ist es offiziell: Wolfgang Büchner verlässt die "Spiegel"-Chefredaktion mit Ende des Jahres, und Ove Saffe legt die Geschäftsführung des Spiegel-Verlags nieder. Das gab der "Spiegel" in einer Aussendung am Donnerstagnachmittag bekannt und bestätigte damit Medienberichte der vorangegangenen Stunden.

Am Mittwoch hatte die KG der Mitarbeiter als Mehrheitseigner des "Spiegel" Büchners Reformkonzept abgelehnt. Die zuvor schon lange kolportierte Ablöse Büchners durch seinen Vize Klaus Brinkbäumer stand damit unmittelbar bevor, am Donnerstagnachmittag wurde sie vollzogen. In der Pressemitteilung ist vom "gegenseitigen Einvernehmen" die Rede. De facto wurde Büchner abgesägt und mit ihm Ove Saffe, Geschäftsführer des Spiegel-Verlags. Die Abgänge dürften den Verlag teuer zu stehen kommen. Büchner wurde erst im Herbst 2013 von der deutschen Nachrichtenagentur dpa zum Wochenmagazin gelotst.

Saffe geht spätestens Mitte 2015

Saffe ist seit 2008 Geschäftsführer des Spiegel-Verlags. Im Einvernehmen mit den Gesellschaftern steht er als Geschäftsführer noch so lange zur Verfügung, bis die Nachfolge geregelt ist, längstens jedoch bis Mitte des nächsten Jahres, heißt es.

Bis auf weiteres wird die Redaktion des "Spiegel" von den beiden stellvertretenden Chefredakteuren Brinkbäumer und Clemens Höges geführt. Barbara Hans und Florian Harms, stellvertretende Chefredakteure von "Spiegel Online", verantworten das Nachrichtenangebot im Internet.

Brinkbäumer ist seit 1993 beim "Spiegel", 2011 rückte er in die Chefredaktion und neun Monate später zum Vize auf. Ob er auch Büchners Nachfolger wird, dürfte noch nicht feststehen.

"Spiegel 3.0" endgültig gescheitert

Büchner und Saffe wollten Print- und Onlineressorts zusammenführen. Dieses Reformkonzept, "Spiegel 3.0" genannt, dürfte damit endgültig vom Tisch sein. Geplant war, Print- und Onlineredaktion zu fusionieren und eine Doppelspitze auf Ressortebene zu installieren. Das Vorhaben war auf heftigen Widerstand der Printredakteure gestoßen, was in einem wochenlangen Machtkampf gipfelte.

In einer eigenen Petition sprachen sich die Printredakteure gegen Büchners Vorhaben aus – im Gegensatz zu den Onlineredakteuren, die mehrheitlich Büchner und dessen Konzept den Rücken stärkten. Der "Spiegel" steht damit wieder vor dem Kernproblem: der Digitalstrategie und dem Zusammenspiel von Print und Online. Mit einer tief gespaltenen Redaktion.

Struktur des Verlagshauses

Die Struktur des Verlagshauses ist kompliziert und erschwert schnelle Führungsentscheidungen: Am "Spiegel" sind die länger beschäftigten Angestellten des gedruckten Blatts in einer Mitarbeiter KG mehrheitlich beteiligt (50,5 Prozent). Die restlichen Anteile gehören dem Hamburger Verlag Gruner + Jahr (25,5 Prozent) sowie den Erben des "Spiegel"-Gründers Rudolf Augstein.

Ob sich der Graben zwischen den beiden Redaktionen Print und Online überbrücken lassen wird, muss die Zukunft zeigen. Auch Büchners Nachfolger braucht eine Zukunftsstrategie. Unter dem "Spiegel"-Dach hat sich eine Zwei-Klassen-Gesellschaft etabliert. Die 260 Print-Redakteure sind gut bezahlt und an den "Spiegel"-Gewinnen beteiligt. Die 150 Online-Journalisten sind im Durchschnitt jünger, bekommen weniger Gehalt und werden nicht in die Mitarbeiter KG aufgenommen.

Strategie gesucht

Die Online-Redaktion, bei der Büchner früher neun Jahre gearbeitet hatte, stand zumeist hinter dem Chefredakteur und seiner Agenda. Dass in digitalen Zeiten, in denen Zeitungs- und Zeitschriftenhäuser nach geldbringenden Konzepten im Kampf gegen den Leserschwund suchen, auch für den Spiegel-Verlag eine Vorwärtsstrategie her muss, machte Noch-Verlagsgeschäftsführer Ove Saffe im Oktober vor Journalisten deutlich: "Wir müssen stärker wachsen und den digitalen 'Spiegel' ausbauen."

Die digitale Version des Magazins wird von rund 51.500 Lesern im Abonnement bezogen. Die gedruckte Auflage, die vor zwei Jahren noch bei über 900.000 Exemplaren lag, hat sich im 3. Quartal 2014 bei 878.260 Heften (IVW-geprüft) stabilisiert. In den vergangenen beiden Jahren ist der Umsatz der Verlagsgruppe geschrumpft, auf zuletzt knapp 300 Millionen Euro (2013). "Weil es uns sehr gut geht, ist es vielleicht schwerer, relevante Prozesse umzusetzen", sagte Saffe. Dennoch müssten Weichen frühzeitig gestellt werden, um ohne Druck, Zwang oder Not Arbeitsprozesse zu verändern.

Kostenpflichtige Zusatzangebote

Noch ist der Print-"Spiegel" der Geldesel des Hauses, doch der Verlag will sich neben Vertriebs- und Werbeeinnahmen neue Erlösquellen im Internet erschließen. Ein wichtiger Baustein sollten nach den bisherigen Plänen ab Mitte 2015 kostenpflichtige Zusatzangebote auf "Spiegel Online" werden. Neben dem digitalen Heft sollen dessen Geschichten je nach Inhalt und Ressort auch an den dazu passenden Stellen im Nachrichtenportal zu haben sein, wie Saffe Anfang Oktober ankündigte. Das Zusatzangebot soll voraussichtlich per Abo-Gebühr erhältlich sein, der Zugang zu "Spon" jedoch kostenfrei bleiben. (red, APA, derStandard.at, 4.12.2014)